Aufbau eines Gutachtens bei einer
Streitgenossenschaft
Zur Streitgenossenschaft:
Gegenüber der objektiven Klagehäufung stellt die
Streitgenossenschaft die subjektive Variante der Klagehäufung dar. Eine
Streitgenossenschaft liegt vor, wenn auf mindestens einer Seite des Verfahrens
zwei oder mehr Personen als Partei beteiligt sind. Wie bei der objektiven Klagehäufung
gibt es auch bei der Streitgenossenschaft unterschiedliche Arten.
Unterschieden wird bei der Streitgenossenschaft
zwischen der notwendigen und der einfachen
Streitgenossenschaft. Unterscheiden kann man auch zwischen der anfänglichen
und der nachträglichen
Streitgenossenschaft.
Bei dem üblichen Fall der einfachen Streitgenossenschaft klagen mehrere
Personen oder werden verklagt. Sie treten jedoch mit einem Vertreter auf,
stellen die selben Anträge und tragen den selben Streitstoff vor. Dieser
Fall mag der Übliche sein. Zwingend ist es jedoch keineswegs, daß die
Streitgenossen gleichlautende Anträge stellen und identisch vortragen.
Daher sollte man innerhalb des Gutachtens jede Station nach den einzelnen
Streitgenossen unterteilen. Demgegenüber steht die notwendige
Streitgenossenschaft. Sie zeichnet sich dadurch aus, daß hier
notwendigerweise eine einheitliche Sachentscheidung erfolgen muß.
(Anmerkung: Anstatt jede Station nach den einzelnen Streitgenossen zu
teilen, besteht auch die Möglichkeit, faktisch zwei Gutachten
hintereinander zu schalten. Im ersten Gutachten wird dann die Klage des
beziehungsweise gegenüber des ersten Streitgenossen untersucht, im zweiten
Gutachten die Klage des beziehungsweise gegenüber dem anderen
Streitgenossen.)
Im einzelnen:
Aufbau bei der einfachen Streitgenossenschaft:
- Auslegungsstation: Feststellung, daß
eine Streitgenossenschaft vorliegt.
- Prozeßstation:
- Zulässigkeit der Klage des beziehungsweise gegen A:. Insbesondere sind
zu beachten:
- Zuständigkeitsstreitwert: Es erfolgt keine Addition, da
§ 5 ZPO teleologisch reduziert und nicht angewendet
wird. Diese Reduktion erfolgt, soweit es sich wirtschaftlich um den selben
Streitgegenstand handelt, was bei einer Streitgenossenschaft der Fall ist.
- Bestimmtheit des Klageantrags gem. § 253 ZPO:
Hier muß das Verhältnis der Streitgenossen zueinander dargelegt
werden. z.B. ... werden als Gesamtschuldner verklagt.
- Zulässigkeit der Klage des beziehungsweise gegen B:
- Zulässigkeit der Klageverbindung
- Gem. §§ 59, 60 ZPO muß die
Verbindung zulässig sein. Dies ist der Fall, wenn die Verbindung aus prozeßökonomischen
Gründen sinnvoll ist (extensive Handhabung).
- Gem. § 260 ZPO analog muß für
alle Prozeßrechtsverhältnisses die gleiche Verfahrensart einschlägig
sein. So ist eine Verbindung eines normalen Verfahrens mit einem
Urkundsverfahren unzulässig.
Anmerkung: Soweit diese
Voraussetzungen nicht gegeben sind, wird nicht eine der Klagen unzulässig,
sondern es erfolgt eine Abtrennung gem. § 145 I ZPO
durch Beschluß.
- Klägerstation
- Schlüssigkeit der Klage des Klägers zu 1)
- Schlüssigkeit der Klage des Klägers zu 2) (Anmerkung: Soweit sich
hier gegenüber dem vorherigen Punkt keinerlei Abweichungen ergeben, kann
mit einem Satz auf diesem Prüfungspunkt verwiesen werden. Sollten sich nur
teilweise Abweichungen ergeben, kann bezüglich des Restes verwiesen werden.
- Schlüssigkeit der Klage des Klägers zu ...
- Beklagtenstation
- Erheblichkeit des Vorbringens des Beklagten zu 1)
- Erheblichkeit des Vorbringens des Beklagten zu 2)
- Erheblichkeit des Vorbringen des Beklagten zu ...
Anmerkung: Zu
beachten ist insbesondere:
- § 422 BGB bei einer Klage gegen
Gesamtschuldner, wonach Erfüllungswirkung gegenüber allen Schuldnern
eintritt;
- § 429 BGB bei einer Klage mehrerer Gesamtgläubiger,
wonach der Annahmeverzug eines Gläubigers gegenüber allen Gesamtgläubiger
wirkt.
- Beweisstation: Auch hier erfolgt
grundsätzlich eine Trennung nach den einzelnen Streitgenossen:
- Konnte der Kläger zu ... beweisen, ...
- ....
- Konnte der Beklagte zu ... beweisen, ...
Ausnahme: Ein Geständnis eines Streitgenossen kann bei
der Beweiswürdigung im Prozeßrechtsverhältnis des anderen
Streitgenossen wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung einfließen
.
- Tenorierungsstation: Diese Station muß
wieder einheitlich erfolgen. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei der
Kostengrundentscheidung zu widmen.
Von einer nachträglichen Streitgenossenschaft spricht man, wenn auf
einer der Prozeßseiten eine weitere Person als Partei hinzutritt. Eine
andere Bezeichnung lautet Parteibeitritt. Ein solcher Parteibeitritt kann
aufgrund Gesetzes oder aufgrund Parteiwillens entstehen.
- Gesetzlicher Parteibeitritt: Das Gesetz kennt mit §
856 II ZPO (Klage bei mehrfacher Pfändung) nur einen einzigen Fall, bei
dem der bereits im Prozeß befindlichen Partei eine weitere zur Seite
gestellt wird.
- Gewillkürter Parteibeitritt: Durch den Eintritt einer neuen Partei
wird ein zusätzliches Prozeßverhältnis geschaffen, welches unabhängig
neben dem bisherigen Prozeßverhältnis besteht. Die alte Partei ist
hieran nicht beteiligt, so daß sie auch nicht zustimmen muß.
Die Rechtsprechung ordnet den Fall des Parteibeitritts als Klageänderung
ein und wendet auch deren Normen bei der Beurteilung der Zulässigkeit an.
Da hier - wegen der zeitlichen Trennung - die Unterscheidung der Prozeßverhältnisse
deutlicher wird, empfiehlt es sich, faktisch mehrere Gutachten - für jedes
Prozeßverhältnis eines - hintereinander zu schalten.
Daraus ergibt sich:
- Erstes Prozeßverhältnis
- Verfahrensstation: Zulässigkeit der Klage. Es erfolgt keine Addition,
da § 5 ZPO teleologisch reduziert und nicht
angewendet wird. Diese Reduktion erfolgt, soweit es sich wirtschaftlich um den
selben Streitgegenstand handelt, was bei einer Streitgenossenschaft der Fall
ist. Das LG ist demnach zuständig, wenn der Wert von Klage oder Widerklage
die Grenze der §§ 71, 23 GVG (DM 10.000)
erreicht.
- Klägerstation: Schlüssigkeit der Klage des Klägers zu 1)
- Beklagtenstation: Erheblichkeit des Vorbringens des Beklagten zu 1)
- Beweisstation.
- Zweites Prozeßverhältnis
- Verfahrensstation
- allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen
- besondere Sachurteilsvoraussetzungen: Insbesondere Prüfung des
§ 263 ZPO analog (Zustimmung des (neuen)
Beklagten oder Sachdienlichkeit.
- Klägerstation: Schlüssigkeit der Klage des Klägers zu 2)
- Beklagtenstation: Erheblichkeit des Vorbringens des Beklagten zu 2)
- Beweisstation
- x.tes Prozeßverhältnis
- Tenorierungsstation
- Hauptentscheidung: Diese erfolgt getrennt nach den Prozeßverhältnissen
- Kostenentscheidung: Diese erfolgt wegen § 19 I 2
GKG einheitlich.

Weitere Verweise: