![]() S a a r b r ü c k e r B i b l i o t h e k (http://www.jura.uni-sb.de/projekte/Bibliothek) | Erstveröffentlichung: Der Aufsatz wird voraussichtlich noch im Jahr 2000 in der DÖV veröffentlicht werden. |
Christine LangenfeldDie rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie [*]Im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen war der umfassende und unumkehrbare Atomausstieg als ein zentrales
politisches Vorhaben für die laufende Legislaturperiode proklamiert worden.
Mit der Einigung am 14. Juni 2000 sind die langwierigen Konsensgespräche
zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgern zu einem Ende gekommen.
In der als politische Absprache zu qualifizierenden Vereinbarung werden die
Modalitäten des Atomausstiegs im einzelnen festgehalten. Eine entsprechende
Novellierung des Atomgesetzes ist vorgesehen. Der nachfolgende Beitrag
analysiert die unterschiedlichen Wege zur Beendigung der friedlichen Nutzung der
Kernenergie. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die nunmehr ins Auge gefasste
Befristungsregelung im Rahmen einer umfassenden Neugestaltung des Atomrechts
nicht als Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG, sondern als Inhalts-
und Schrankenbestimmung i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einzuordnen ist, die
auch die Bestandinteressen der Anlagenbetreiber in hinreichender Weise
berücksichtigt. Hieraus, aber auch aus der Ausprägung des
Gesetzesvorbehaltes als Parlamentesvorbehalt ergibt sich die Notwendigkeit einer
gesetzlichen Regelung des Atomausstiegs. Dort, wo der Gesetzesvorbehalt in
seiner rechtsstaatlich-demokratischen Funktion eingreift, bleibt auch ein
möglicherweise in der Vereinbarung liegender Verzicht der betroffenen
Grundrechtsträger auf die Schutzwirkung des Art. 14 GG unwirksam.
Rechtliche Wirkung entfaltet hingegen der stillschweigend erklärte
Rechtsmittelverzicht, der die befriedende Wirkung der Vereinbarung in besonderer
Weise unterstreicht.
I. Die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000[1] - die wesentlichen EckpunkteMit Ausnahme der Hanseatischen Elektrizitätswerke (HEW),
die Beteiligungen an den Kernkraftwerken Brunsbüttel, Stade, Krümmel
und Brokdorf halten, haben sämtliche Energieversorgungsunternehmen, die
KKWs in der Bundesrepublik betreiben, an den Konsensgesprächen
teilgenommen.[2] Im einzelnen sieht die
Vereinbarung Folgendes vor: Der Zweck des Atomgesetzes soll nicht mehr die
Förderung der
Kernenergie[3],
sondern die geordnete Beendigung der Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen
Erzeugung von Elektrizität sowie die Gewährleistung eines sicheren
Betriebes während der Restlaufzeit sein. Die Neuerrichtung von
Kernkraftwerken wird verboten.[4] Die bestehenden
Betriebserlaubnisse werden befristet: Dies geschieht im Wege der Festlegung
sogenannter Reststrommengen, die für jede einzelne der 19 in Betrieb
befindlichen Kernanlagen[5] (beginnend mit dem
1.1.2000) auf der Grundlage einer Regellaufzeit von 32
Kalenderjahren[6] ab Beginn des kommerziellen
Leistungsbetriebes errechnet und in einem Anhang zum Atomgesetz festgeschrieben
werden.[7] Die den einzelnen Kernanlagen
zustehenden Strommengen (Produktionsrechte) können von einem KKW auf ein
anderes übertragen werden. Hierbei gilt, dass eine solche Übertragung
nur von weniger wirtschaftlichen auf wirtschaftlichere, d.h. grundsätzlich
von älteren auf neuere und von kleineren auf größere Anlagen,
stattfindet. Die Erlaubnis zum Leistungsbetrieb des jeweiligen Kernkraftwerkes
erlischt, wenn die vorgesehene bzw. durch Übertragung geänderte
Strommenge für die jeweilige Anlage erreicht worden ist. Da auch das
stillgelegte KKW Mülheim-Kärlich in die Berechnung der Reststrommenge
einbezogen wird[8], erhält die RWE AG als
Betreiberin zusätzliche Produktionsrechte, die entsprechend den dargelegten
Grundsätzen auf andere Kernanlagen übertragen werden
können.[9] Das Strommengenmodell
impliziert, dass die Gesamtbetriebsdauer eines Atomkraftwerks im Einzelfall
durchaus länger sein kann als die 32 Jahre, die der Strommengenberechnung
zugrundegelegt werden. Dies ergibt sich zum einen aus der Möglichkeit der
Übertragung von Produktionsrechten, zum anderen aber auch daraus, dass die
erlaubte Reststrommenge über die Jahre frei verteilt werden kann.
Während der Restlaufzeit bleibt der von Recht und Gesetz
geforderte hohe Sicherheitsstandard weiter gewährleistet; im Gegenzug wird
die Bundesregierung "keine Initiative ergreifen, um diesen Sicherheitsstandard
und die diesem zugrundeliegende Sicherheitsphilosophie zu ändern. Bei
Einhaltung der atomrechtlichen Anforderungen gewährleistet die
Bundesregierung den ungestörten Betrieb der
Anlagen."[10]
Hinsichtlich der Entsorgung radioaktiver Abfälle aus dem
Betrieb von KKW gilt Folgendes: Ab dem 1. Juli 2005 wird die Entsorgung auf die
direkte Endlagerung - und zwar zunächst in von den Betreibern zu
errichtenden standortnahen Zwischenlagern - beschränkt. Die
Wiederaufbereitung wird verboten. Bis zu diesem Zeitpunkt können
abgebrannte Brennelemente "bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen" in
die bestehenden regionalen Zwischenlager sowie in die im Ausland belegenen
Wiederaufbereitungsanlagen transportiert
werden.[11] Die Erkundungsarbeiten im Salzstock
Gorleben werden bis zur Klärung "konzeptioneller und sicherheitstechnischer
Fragen" unterbrochen.[12]
Zur Umsetzung der Vereinbarung wird die Bundesregierung einen
Gesetzentwurf zur umfassenden Novellierung des Atomgesetzes
vorlegen[13], die den in der Absprache
niedergelegten Eckpunkten entspricht: Die Beteiligten schließen die
Vereinbarung "auf der Grundlage, dass das zu novellierende Atomgesetz
einschließlich der Begründung die Inhalte dieser Vereinbarung
umsetzt."[14] Über die Novellierung des
Atomgesetzes soll in Ansehung des Regierungsentwurfs vor der Kabinettbefassung
zwischen den Verhandlungspartnern nochmals beraten werden.
Zur Begleitung der Implementierung der Vereinbarung insgesamt
wird eine hochrangige Arbeitsgruppe berufen, die sich aus jeweils drei
Vertretern beider Seiten zusammensetzt und einmal jährlich - unter dem
Vorsitz des Chefs des Bundeskanzleramtes und gegebenenfalls unter Heranziehung
externen Sachverstandes - die Fortschritte bei der Umsetzung bewertet.
II. Gang der ÜberlegungenZur Beendigung der Kernenergienutzung kommen theoretisch drei
unterschiedliche Wege in Betracht: 1) der Weg einer Regelung durch Gesetz, 2)
der einer Betriebsbeendigung im Wege einer Vereinbarung zwischen dem Staat und
den Kernkraftswerksbetreibern (Konsens) und 3) der einer wie immer
auszugestaltenden Kombination von Vereinbarung und Gesetz. Diskutiert wird
darüber hinaus die Frage, ob der Atomausstieg nicht bereits mit dem
vorhandenen, im Atomgesetz vorgesehenen Eingriffsinstrumentarium bewirkt werden
kann. Die aufgezeigten Ausstiegsszenarios sollen im Folgenden analysiert werden.
Auf dieser Grundlage wird es dann auch möglich sein, die rechtlichen
Wirkungen der Vereinbarung vom 14. Juni zu beschreiben.
III. Die ökonomischen und ökologischen Konsequenzen eines Verzichts auf die KernenergienutzungVor einer Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen eines
Atomausstiegs ist es erforderlich, die volkswirtschaftlichen und
ökologischen Auswirkungen dieses Vorhabens zu beleuchten. Auf dieser
Grundlage ist die Frage nach der "Situationsgerechtigkeit des
Atomausstiegs"[15]
zu stellen. Letztere ist nicht nur politisch relevant, sondern muss sich
einpassen in den verfassungsrechtlichen Ziel- und Handlungsrahmen, der dem Staat
für seine Energie- und Umweltpolitik gesetzt
ist.[16] Im hier interessierenden Bereich der
Energiegewinnung wird dieser Handlungsrahmen determiniert durch die
verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zum Schutz des menschlichen Lebens aus
Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 GG. Hinzu treten das Sozialstaatsprinzip, das in
Art. 20 a GG niedergelegte Staatsziel Umweltschutz und die gemäß Art.
109 Abs. 2 GG gebotene Rücksichtnahme auf das gesamtwirtschaftliche
Gleichgewicht. Die genannten Gesichtspunkte sind im Rahmen der Rechtfertigung
grundrechtsbeschränkender Eingriffe - vorliegend geht es im wesentlichen um
den in Art. 14 GG verbürgten Schutz des Eigentums - zu
berücksichtigen.
Hinsichtlich der Darstellung der ökonomischen und
ökologischen Folgen eines Atomausstiegs bezieht sich die Verfasserin auf
mehrere aktuelle
Studien[17], deren
Ergebnisse wie folgt zusammengefasst werden können: In der Bundesrepublik
sind derzeit 19 Kraftwerke am Netz, das älteste in Obrigheim seit 1968, das
jüngste in Neckarwestheim seit 1989. Der Anteil der Kernenergie an der
Stromversorgung beträgt z.Zt. ca. 30 %. Übereinstimmend gehen die
Studien davon aus, dass ein Sofortausstieg innerhalb der nächsten fünf
Jahre erhebliche ökonomische und ökologische Probleme impliziert.
Zunächst würden die Stromimporte deutlich zunehmen. Als Lieferland
komme insbesondere Frankreich in Frage, dessen Stromerzeugung zu 78 % auf der
Kernenergie basiere. Auch sei in den ersten Jahren nach dem Ausstieg - trotz
gewisser dämpfender Einflüsse durch die Liberalisierung des
europäischen Strommarktes - mit höheren Strompreisen zu rechnen. Am
gravierendsten seien die Auswirkungen eines Sofortausstieges auf die Umwelt. Da
die Kernenergie wesentlich durch fossile Energieträger wie die Braun- und
Steinkohle sowie Gas ersetzt werden müsse, sei mit einem erheblich
erhöhten CO[2] Ausstoß[18]
zu rechnen. Dies sei auch in Hinblick auf die Verpflichtungen der Bundesrepublik
im Rahmen der Klimaschutzkonvention
problematisch.[19] Regenerative Energiequellen
wie Wind, Müllverbrennung, Biomasse und Solarenergie seien noch nicht so
weit entwickelt, dass sie in größerem Umfang in Rechnung gestellt
werden könnten.[20]
Demgegenüber sei ein geordneter oder sanfter Ausstieg,
wonach erst in 20 Jahren das letzte der 19 Kernkraftwerke vom Netz gehe, aus
wirtschaftlicher wie auch aus ökologischer Perspektive noch
vertretbar[21], wenngleich auch in diesem Fall
die Umweltbilanz negativ beeinflusst werde.[22]
Die Sicherheit der Energieversorgung könne über den gesamten
Betrachtungshorizont gewährleistet werden, insbesondere durch den
kurzfristigen Zubau von Gas- und Kohlekraftwerken innerhalb der nächsten 10
Jahre. Regenerative Energien seien als Kompensation allerdings nur sehr
beschränkt brauchbar.[23] Die zu
erwartenden Auswirkungen auf den Strompreis seien nicht zuletzt wegen der in
Gang kommenden Liberalisierung des europäischen Strommarktes moderat.
IV. Atomausstieg durch Verwaltungsakt?Gemäß § 17 AtomG ist der Widerruf einer
rechtmäßig erteilten Anlagengenehmigung unter bestimmten
Voraussetzungen zulässig und zwar insbesondere dann, wenn es um die
Anpassung von Sicherheitsanforderungen an den jeweils aktuellen Stand von
Wissenschaft und Technik geht, d.h. wenn zusätzliche Maßnahmen der
Schadensvorsorge gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG über die
Genehmigung hinaus erforderlich werden und nachträgliche Auflagen nicht den
gewünschten Erfolg versprechen. Nach einer M.M. in der Literatur soll
§ 17 AtomG darüber hinaus zur Anwendung kommen auf der Grundlage einer
veränderten Sicherheitsphilosophie in Form einer Neubewertung des
zumutbaren Risikos ohne gleichzeitige Änderung des wissenschaftlichen
Erkenntnisstandes.[24] Dem ist aus
rechtsstaatlichen Gründen
entgegenzutreten[25].
Die Betreiber der Anlagen haben im Vertrauen auf den Fortbestand der ihnen
erteilten Genehmigungen hohe Investitionen getätigt. Dieses Vertrauen ist
jedenfalls solange schutzwürdig, als keine neuen sicherheitsrelevanten
Erkenntnisse vorliegen, die eine andere nachträgliche Beurteilung
rechtfertigen. Insoweit genießen die erteilten Genehmigungen
Bestandsschutz. Als rechtsstaatlich noch prekärer ist der von einigen
Landesregierungen systematisch betriebene sogenannte ausstiegsorientierte
Gesetzesvollzug zu beurteilen, der die Handlungsmöglichkeiten des
Atomgesetzes unter Hinweis auf die unkalkulierbaren Risiken der Kernenergie und
unabhängig von der Situation einer konkreten Anlage zur Durchsetzung einer
Ausstiegspolitik regelrecht
instrumentalisiert.[26] Das politische Ziel
eines generellen Ausstiegs aus der Kernenergie lässt sich mit dem
einzelfallbezogenen, administrativen Instrumentarium des Atomgesetzes nicht
erreichen. Eine entsprechende Vollzugspraxis verstößt gegen die
Grundentscheidung des Gesetzgebers und dementsprechend gegen den in Art. 20 Abs.
3 GG verankerten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des
Verwaltungshandelns.
Von erheblicher Aktualität ist darüber hinaus die
Frage, inwieweit Engpässe bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle als
Widerrufsgrund nach § 17 AtomG gelten können. Entsprechend § 9a
AtomG i.V.m. § 86 Strahlenschutzverordnung liegt die Verantwortung für
die Zwischenlagerung bei den Anlagenbetreibern, diejenige für die
Endlagerung hingegen beim Bund. Die Betreiber sehen sich nun in folgender Weise
bedrängt: Die Beförderung von radioaktivem Abfall bedarf der
Genehmigung nach § 4 (Beförderung im Inland) bzw. § 3 AtomG
(Ausfuhr), der bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen kein Ermessen
für die zuständige Behörde, hier das Bundesamt für
Strahlenschutz, eröffnet. Seit dem Bekanntwerden einer Überschreitung
der Kontaminationsgrenzwerte an den Transportbehältern, den sogenannten
Castoren, im Frühjahr 1998 haben keine Transporte mehr in die Zwischenlager
und Wiederaufbereitungsanlagen stattgefunden. Obgleich entsprechende
Untersuchungen mittlerweile ergeben haben - und dies wird auch von der
Bundesregierung nicht bestritten -, dass eine Gefährdung, insbesondere des
Begleitpersonals ausgeschlossen
ist[27], sind bis
heute keine Transportgenehmigungen mehr erteilt
worden.[28] Werden die Transporte nicht bald
wieder aufgenommen, droht den Kernkraftwerken die Stillegung "auf kaltem Wege"
durch "Verstopfung", da der Lagerraum für abgebrannte Brennelemente
erschöpft ist. Neben aufsichtsrechtlichen Maßnahmen nach § 19
AtomG in Form einer einstweiligen Stillegung müsste in diesen Fällen
jedenfalls ein Genehmigungswiderruf gemäß § 17 Abs. 5 AtomG
wegen einer erheblichen Gefährdung Dritter oder der Allgemeinheit in
Betracht gezogen werden. Auf diesem Hintergrund wird erkennbar, welche Bedeutung
der Zusage der Bundesregierung in der Vereinbarung vom 14. Juni, Atomtransporte
ab sofort wieder zu ermöglichen, aus Sicht der Anlagenbetreiber zukommt.
Insgesamt wird man die geschilderte Blockade der Entsorgungswege durch die
zuständigen Behörden als ein besonders eindrucksvolles
Anwendungsbeispiel des sogenannten ausstiegsorientierten Gesetzesvollzugs
bezeichnen können.
Für die betroffenen Anlagenbetreiber bestehen freilich
erhebliche Schwierigkeiten, mit Erfolg gegen einen ausstiegsorientierten Vollzug
des Atomgesetzes gerichtlich vorzugehen, da es allein in besonders evidenten
Fällen gelingen dürfte, missbräuchliches Verhalten der
zuständigen Behörden nachzuweisen. Jedenfalls aber nimmt die
Inanspruchnahme von Rechtsschutz lange Zeit in Anspruch, eine zermürbende
Zeit voller Unsicherheiten für die Betreiber, die gleichzeitig gehalten
sind, die gebotenen Sicherheitsstandards ihrer KKWs durch aufwendige
Nachrüstmaßnahmen zu sichern.
V. Atomausstieg durch Gesetz1. Die nachträgliche Befristung bzw. Beschränkung von Betriebsgenehmigungen nach § 7 AtomG und das Grundrecht auf Eigentum[29]a) Zum EigentumseingriffSämtliche in Deutschland am Netz befindlichen
Kernkraftwerke verfügen über eine vollgültige, unbefristete und
unbeschränkte Betriebsgenehmigung gemäß § 7 AtomG. Die
Möglichkeit einer Befristung ist in § 17 Abs. 1 Satz 4 AtomG
ausdrücklich ausgeschlossen. Auch für anderweitige nachträgliche
Beschränkungen, die nicht auf Sicherheitsmängeln einer konkreten
Anlage beruhen, bietet das Atomgesetz keine Grundlage. Die nachträgliche
Beschränkung einer vollgültigen Betriebsgenehmigung, so wie sie durch
das novellierte Atomgesetz im Wege einer Strommengenbegrenzung mit der Folge des
Erlöschens der Betriebsgenehmigung nach Ausschöpfung der zugewiesenen
Produktionsrechte vorgesehen ist, stellt einen Eingriff in das
Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG dar. Auf Art. 14 GG können sich auch
gemischt-wirtschaftliche Unternehmen
berufen.[30]
Schutzgegenstand des Eigentumsschutzes ist das bürgerlich-rechtliche
Eigentum der Kernkraftwerks-Eigentümer an der genehmigten Anlage in
Verbindung mit der Anlagengenehmigung gemäß § 7 AtomG, die den
Betrieb eines Kernkraftwerks gestattet.[31]
Allein auf das Grundstückseigentum abzustellen, genügt in diesem Fall
nicht, da erst und gerade die öffentlich-rechtliche Betriebsgenehmigung die
entsprechende Nutzungsbefugnis
verleiht.[32]
b) Qualifikation der gesetzlichen Strommengenbeschränkung als Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 GGFraglich ist, ob es sich bei einer gesetzlichen
Beschränkung der Produktionsrechte mit der Folge des Erlöschens der
Betriebsgenehmigung nach Ausschöpfung derselben um eine Enteignung
gemäß Art. 14 Abs. 3 GG oder um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung
i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handelt. In Abweichung von der jetzt geplanten
Regelung war bis vor einiger Zeit eine strikte Begrenzung der Laufzeit der in
Betrieb befindlichen Kernkraftwerke ins Auge gefaßt worden. Die
wissenschaftliche Auseinandersetzung drehte sich dementsprechend um die Frage,
ob in der nachträglichen Befristung ursprünglich unbefristet erteilter
Betriebsgenehmigungen eine entschädigungspflichtige Enteignung oder eine -
möglicherweise ausgleichspflichtige - Inhaltsbestimmung gemäß
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG liegt.[33] Die nunmehr
vorliegende Regelung wirft parallele Fragestellungen auf. In einer Begrenzung
der Produktionsrechte liegt insoweit ein Rechtsentzug, als die
Kernkraftswerksbetreiber ihre ursprünglich unbegrenzten Nutzungsrechte
nicht mehr ausschöpfen können. Derjenige Teil der Nutzungsrechte, der
jenseits einer auf der Grundlage einer Gesamtlaufzeit von 32 Jahren errechneten
Strommengenproduktion liegt, wird beseitigt. Nach Erreichen des Strommengenziels
erlischt die Betriebsgenehmigung.
Der Unterschied zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung ist
entscheidend für den Umfang des Eigentumsschutzes. Die Enteignung
führt wegen Art. 14 Abs. 3 GG notwendig zu einer
Entschädigungsregelung; Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind
grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen; nur im Einzelfall kann
eine von der Enteignungsentschädigung nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen
verschiedene Ausgleichsregelung erforderlich sein.
Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts bestehen zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung
keine fließenden Übergänge. Auf die Intensität oder die
Zumutbarkeit des Eingriffs in das Eigentum kommt es nicht
an.[34] Die hiervon abweichende frühere
Judikatur des BGH und des
Bundesverwaltungsgerichts[35]
ist heute überholt. Zwischen der Enteignung und der Inhaltsbestimmung
besteht danach ein kategorialer Unterschied, der auf formale Kriterien
gestützt wird: Mit der Enteignung durchbricht der Staat im Einzelfall die
geltende Eigentumsordnung, um einen Rechtsentzug zu einem bestimmten
Gemeinwohlzweck zu bewirken. Die Eigentumsordnung als solche bleibt
unangetastet.[36]
Eine abstrakt-generelle gesetzliche Inhaltsbestimmung bleibt
eine solche auch dann, wenn sie den einzelnen unverhältnismäßig
oder unerträglich trifft und deshalb entweder verfassungswidrig ist oder
aber nur durch einen gesetzlich angeordneten Ausgleich für den Betroffenen
erträglich gemacht werden kann. Im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
aus 1999 zu § 13 des rheinland-pfälzischen
Denkmalschutzpflegegesetzes[37], der die
Möglichkeit eines Abrissverbotes für denkmalgeschützte
Gebäude vorsieht, heißt es hierzu: "Die Regelung entzieht keine
konkreten Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher
Aufgaben, sondern beschränkt generell und abstrakt die
Nutzungsmöglichkeiten eines mit einem Denkmal bebauten Grundstücks;
der Versagungsakt aktualisiert diese Beschränkung. § 13 Abs. 1 Satz 2
DSchPflG bestimmt damit Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14
Abs. 1 Satz 2 GG. Diese Einordnung der Norm ist von der Intensität der den
Rechtsinhaber treffenden Belastung unabhängig. Sie behält ihre
Gültigkeit selbst in den Fällen, in denen der Eingriff in seinen
Auswirkungen für den Betroffenen einer Enteignung nahe- oder
gleichkommt."[38]
Im Rahmen einer Neubestimmung von Inhalt und Schranken des
Eigentums kann der Gesetzgeber bisher bestehende subjektive "Alt-Rechte" nicht
nur einschränken, sondern im Zuge einer generellen Neugestaltung eines
Rechtsgebietes auch völlig beseitigen. Damit hat das
Bundesverfassungsgericht auch der noch im
Naßauskiesungsbeschluss[39] für
möglich gehaltenen Doppelqualifikation einer gesetzgeberischen
Maßnahme als Legalenteignung und Inhaltsbestimmung eine klare Absage
erteilt.[40]
Demgegenüber wird darauf hingewiesen, dass sich der
Entzug einer Eigentumsposition dann nicht als Inhaltsbestimmung, sondern als
Enteignung darstelle, wenn die enteignende Auswirkung einer gesetzlichen
Regelung zentraler Inhalt derselben sei. Dies sei der Fall bei einem Gesetz,
welches - wie hier - ursprünglich unbeschränkt erteilte
Anlagengenehmigungen nachträglich beschränke und zum vorzeitigen
Erlöschen bringe.[41] Dem ist freilich zu
entgegnen, dass die gesetzliche Strommengenbegrenzung i.V.m. dem Entzug der
Betriebsgenehmigung eingebettet ist in die Neugestaltung des Atomrechts
insgesamt. Der maßgebliche Gehalt des Ausstiegsgesetzes besteht darin,
dass für die Zukunft eine spezifische Art der Stromerzeugung verboten wird.
Die Zweckbestimmung des Atomgesetzes wird entsprechend geändert;
Neugenehmigungen werden nicht mehr erteilt. Hinsichtlich der in Betrieb
befindlichen Kernkraftwerke werden Reststrommengen festgelegt. Auf diesem Wege
wird in einem absehbaren Zeitraum das gesetzgeberische Ziel erreicht, die
Kernenergienutzung zur Stromerzeugung vollständig zu beenden:
Insofern ist aus der Perspektive der gesetzgeberischen Zielsetzung einer
Beendigung der Kernenergienutzung zur Stromerzeugung die Entziehung der
Altrechte im Wege der Strommengenbegrenung notwendiger Annex der grundlegenden,
für die Zukunft geltenden
Eigentumsinhaltsneubestimmung.[42]
c) Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Inhalts- und SchrankenbestimmungAllerdings unterliegt der Gesetzgeber im Rahmen der Festlegung
von Inhalts- und Schrankenbestimmungen besonderen verfassungsrechtlichen
Schranken: Soweit ein Eingriff in nach früherem Recht entstandene Rechte
gegeben ist, muss dieser durch Gründe des öffentlichen Interesses
unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes gerechtfertigt
sein.[43] Die Gründe des öffentlichen
Interesses müssen so schwerwiegend sein, dass sie Vorrang haben vor dem
Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines durch Art. 14 Abs. 1 GG
geschützten Rechts. Dies gilt auch für das Ausmaß des
zulässigen Eingriffs. Wirkt sich die Neugestaltung der Eigentumsordnung
für die Inhaber der Altrechte wie eine (Teil- oder Voll-)Enteignung aus,
kommt das in Art. 14 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommende Gewicht des
Eigentumsschutzes auch im Rahmen der Prüfung der
Verfassungsmäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung, d.h. der
vorzunehmenden Abwägung zwischen Eigentumsschutz und Gemeinwohlinteressen,
zum Tragen. Der Gesetzgeber kann danach gehalten sein, den Eingriff in das
Eigentum durch Entschädigungs- oder Übergangslösungen
abzumildern; eine völlige, übergangs- und ersatzlose Beseitigung einer
Rechtsposition kommt nur unter besonderen Bedingungen in
Betracht.[44]
aa) GemeinwohlkonformitätHinsichtlich der Gemeinwohlkonformität einer vorzeitigen
Beendigung der Kernenergienutzung wird allgemein darauf abgestellt, dass es
angesichts der nicht auszuschließenden Möglichkeit von Schäden
ungeheuren Ausmaßes dem Gesetzgeber offen stehen müsse, in Abkehr von
seiner bisherigen Haltung, die Beendigung der Stromerzeugung aus Kernenergie zu
verfügen. Insoweit ist festzustellen, dass der Gesetzgeber dann, wenn er,
selbst bei unverändertem wissenschaftlichem Erkenntnisstand, infolge einer
Höhergewichtung gefährdeter Rechtsgüter zu einer veränderten
Risikobewertung gelangt, ein legitimes Gemeinwohlinteresse wahrnimmt.
Auf die dem Staat verfassungsrechtlich aufgegebene objektive
Pflicht, sich schützend vor die Rechtsgüter Leben und Gesundheit zu
stellen, wenn sie durch Aktivitäten Dritter Schaden zu nehmen drohen, kann
sich der Gesetzgeber freilich hierbei nicht
stützen.[45] Das Verbot der
Kernenergienutzung ist auch angesichts der staatlichen Schutzpflichten für
das Leben und die Gesundheit der Bürger von Verfassungs wegen nicht
geboten.[46]
Wenn also der ausstiegswillige Gesetzgeber auf die
unkalkulierbaren Risiken der Kernenergie hinweist und sich hierbei
möglicherweise auf weitgespannte Schutzpflichten beruft, so wird man an ihn
gleichzeitig die Frage richten, wie er es in diesem Zusammenhang mit den infolge
eines Atomausstiegs ansteigenden CO[2]-Emissionen und der damit
verbundenen lebensbedrohenden Verschärfung des Treibhauseffekts hält.
Ebensolche Erwägungen müsste der Gesetzgeber in Hinblick auf das in
Art. 20 a GG niedergelegte Staatsziel Umweltschutz anstellen. Die Direktive
dieses Staatsziels steht mit der grundgesetzlichen Schutzpflicht für das
menschliche Leben in grundsätzlicher Harmonie und ergänzt
diese.[47] Es kann also der Fall eintreten,
dass unterschiedliche Herausforderungen an ein- und dieselbe Schutzpflicht, an
ein- und dasselbe Staatsziel gestellt werden.
Als weitere verfassungsrechtliche Koordinaten wird der
Gesetzgeber das Sozialstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1 und die Erfordernisse des
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes, Art. 109 Abs. 2 GG zu beachten haben,
die den Staat verpflichten, die Versorgung der privaten Haushalte und der
Unternehmen mit Strom in genügendem Maße und zu einem angemessenen
Preis zu gewährleisten.[48]
Zweifellos steht dem Gesetzgeber die
Einschätzungsprärogative für die Belange des Gemeinwohls und das
hieraus folgende Handlungsermessen gerade in einem von Risiken und Prognosen
gekennzeichneten Bereich wie der Energieversorgung im Grundsatz zu. Wegen des
Ranges der auf dem Spiele stehenden Rechts- und Gemeinschaftsgüter wird
sich die verfassungsgerichtliche Kontrolle aber nicht auf eine bloße
Evidenzkontrolle beschränken können, darauf also, ob die
angeführten Gründe des Gemeinwohls so offensichtlich fehlsam sind,
dass sie "vernünftigerweise" keine Grundlage für gesetzgeberische
Maßnahmen abgeben können.[49] Es
wird vielmehr darauf abzustellen sein, ob die Prognosen des Gesetzgebers
jedenfalls vertretbar
sind.[50] Diesen
Anforderungen wird der Gesetzgeber nicht nur durch eine entsprechende
Ausgestaltung des Normsetzungsverfahrens Rechnung tragen müssen, etwa durch
die gezielte Anhörung von Experten und der betroffenen Unternehmen, um sich
eine möglichst umfassende Entscheidungsbasis zu verschaffen. Es muss
darüber hinaus deutlich sein, dass die gesetzgeberischen Entscheidungen
Ergebnis eines rationalen, die genannten verfassungsrechtlichen
Maßstäbe einbeziehenden Abwägungsprozesses sind. Eben diese
Rationalität hätte ein Vorgehen vermissen lassen, welches den
Atomausstieg kurzfristig, d.h. innerhalb weniger Jahre und unter Ausblendung der
ökologischen und ökonomischen Konsequenzen, hätte bewirken
wollen.
bb) VerhältnismäßigkeitIm Rahmen der nun folgenden
Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt es zunächst auf die
Geeignetheit der beschränkenden Maßnahme in Hinblick auf die
verfolgten Zwecke an.[51] Auch insoweit steht
dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative
zu.[52] Diese wäre überschritten,
wenn die vorliegende Ausstiegsregelung schlechthin untauglich wäre, um das
Ziel zu erreichen, nämlich die Risiken aus der friedlichen Nutzung der
Kernenergie zu beseitigen oder zumindest zu verringern. Insoweit ist zu
bedenken, dass in durchaus gefahrenträchtiger Entfernung eine ganze Reihe
ausländischer Kernkraftwerke in Betrieb sind. Bei einem Unfall wären
die Bürger der Bundesrepublik in ähnlicher Weise betroffen wie
diejenigen unserer Nachbarstaaten. Freilich wird man in Hinblick auf den Erhalt
der Handlungsfähigkeit des Staates den Gesichtspunkt der Geeignetheit
insoweit zurückstellen müssen.[53]
Dem Staat würde es ansonsten per se verwehrt, bestimmte Risikopotentiale
auf seinem Staatsgebiet zu reduzieren, also einen ersten Schritt in die von ihm
für richtig gehaltene Richtung zu tun. Demgegenüber dürfte der
zweite Einwand weniger leicht zu entkräften sein: Es ist nicht
ausgeschlossen, dass die Substitution für den Wegfall der Kernenergie -
jedenfalls kurz- und mittelfristig - durch Import von Strom, etwa aus Frankreich
erfolgen müsste, der seinerseits im Wege der Nutzung der Kernenergie
gewonnen wäre. Dies würde der Nutzung der Kernenergie jenseits der
deutschen Grenzen zusätzlichen Auftrieb geben und damit die vom Gesetzgeber
für unzumutbar gehaltenen Risiken - insbesondere auf dem Hintergrund der
weniger rigiden Sicherheitsstandards in unseren Nachbarstaaten - im Gegenteil
weiter erhöhen. Nur bei Zubilligung eines entsprechenden
Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers könnte auch insoweit das Verdikt
mangelnder Geeignetheit vermieden werden.[54]
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung
i.e.S. ist eine echte Abwägung zwischen dem Gemeinwohlziel und dem
kollidierenden Eigentumsrecht gefordert. Hierbei verlangt die Institutsgarantie
in Art. 14 Abs. 1 GG, dass die das Eigentum beschränkenden Regelungen die
Substanz des Eigentums wahren und dem Gleichheitsgebot
entsprechen.[55] Die Privatnützigkeit des
Eigentums als Rechtsinstitut und die Zuordnung zu einem Rechtsträger
müssen gewahrt bleiben.[56] Insgesamt ist
die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers um so größer, je
stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist; hierfür sind
dessen Eigenart und Funktion von entscheidender
Bedeutung.[57] Ein solch intensiver sozialer
Bezug kann sich auch aus der besonderen Gefährdungslage ergeben, die eine
bestimmte Form der Nutzung von Eigentum mit sich bringt. Ohne Zweifel unterliegt
der Betrieb von Kernkraftwerken einer Fülle öffentlich-rechtlicher
Bindungen. Entsprechend dem Grundsatz der bestmöglichen Schadensvorsorge
muss der Anlagenbetreiber auch mit nachträglichen Eingriffen, etwa in Form
von Auflagen, rechnen. Wie bereits oben dargelegt, kann aber allein die
Änderung der Sicherheitsphilosophie eine nachträgliche
Beschränkung oder gar den Widerruf einer Genehmigung nicht
tragen.[58] Insoweit genießt der
Betreiber Vertrauensschutz. Trifft der Gesetzgeber eine Neuregelung, die auch
die Altrechtsinhaber erfasst, ist der hierin liegende Eingriff durch
entsprechende Übergangsregelungen abzumildern. Vertrauensschutz ist im
wesentlichen Investitionsschutz: "Der disponierende und investierende, also
etwas "ins Werk setzende" Bürger soll nicht in seinem Vertrauen darauf
enttäuscht werden, dass er eine ihm günstige Rechtslage durch Kapital-
und/oder Arbeitseinsatz mit wirtschaftlichem Erfolg für sich ausnützen
kann."[59] Dies heißt, dass dem
Anlagenbetreiber zum einen die Amortisation des eingesetzten
Investitionskapitals, für die im allgemeinen 15 Jahre Laufzeit angesetzt
wird, zum anderen aber auch - in angemessenem Umfang - die Nutzung der Anlage
zur Gewinnerzielung, d.h. als Prämie eigener Leistung, ermöglicht
werden muss. Insoweit ist zunächst auf die tatsächliche
durchschnittliche Nutzungsdauer eines Kernkraftwerks von derzeit 40-45
Kalenderjahren abzustellen. Auf diesem Hintergrund scheint jedenfalls
vorliegende Regelung, wonach auf der Grundlage von einer Regellaufzeit von 32
Kalenderjahren die jeweils zulässigen Strommengen berechnet werden, dem
durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Bestandsinteresse der Anlagenbetreiber
in hinreichender Weise Rechnung zu tragen, insbesondere angesichts des
Umstandes, dass mit fortschreitender Betriebsdauer zahlreiche kostspielige
Nachrüstmaßnahmen erforderlich werden. Sozialbindung des Eigentums
und eigentumsrechtlicher Bestandsschutz werden in einen angemessenen Ausgleich
gebracht. Einer darüber hinausgehenden Entschädigung bedarf es nicht.
VI. Atomausstieg im Konsens? - Rechtliche Problemschwerpunkte der Vereinbarung vom 14. Juni 20001. Rechtsverbindlicher Vertrag oder informelle Absprache?Zunächst stellt sich die Frage nach den rechtlichen
Wirkungen der Vereinbarung. Handelt es sich um einen rechtsverbindlichen Vertrag
oder um eine rechtlich unverbindliche, weil ohne "Rechtsbindungswillen" erzielte
Einigung in der Form einer sogenannten informellen
Absprache?[60]
Wesentlicher Inhalt der Vereinbarung ist die Festlegung der Modalitäten
betreffend den Atomausstieg sowie die Entsorgung radioaktiver Abfälle, die
sämtlich im Zuge einer Novellierung des Atomgesetzes umgesetzt werden
sollen. Es geht also um Normvorbereitung, aber auch um Normabwendung, da in der
Absprache implizit auch der Verzicht auf den Erlaß von schärferen,
d.h. die Energieversorger belastenderer Regelungen liegt. Die Bundesregierung
hatte während der weit über ein Jahr dauernden Verhandlungen stets mit
Nachdruck darauf hingewiesen, dass sie für den Fall des Scheiterns der
Konsensgespräche den Ausstieg auch gegen den Willen der Energieversorger
allein auf gesetzlichem Wege durchsetzen werde. Hierbei sah die
ursprünglich ins Auge gefaßte Regelung eine strikte
Laufzeitbegrenzung vor, die mit 25 Jahren deutlich unter den jetzt konsentierten
32 Jahren liegt.[61]
Inhalt der Vereinbarung ist darüber hinaus die
Zusicherung der Bundesregierung, die ihr im Rahmen des Vollzugs des Atomgesetzes
zustehenden Verwaltungsbefugnisse gemäß Art. 85 Abs. 2-4 GG in
bestimmter Weise wahrzunehmen, d.h. konkret für einen "störungsfreien
Betrieb" während der Restlaufzeit Sorge zu tragen. Nur insoweit wäre
der Anwendungsbereich der §§ 54 ff. VwVfG betroffen, die den Abschluss
von Verträgen im Bereich öffentlich-rechtlicher
Verwaltungstätigkeit iS von § 1 VwVfG
vorsehen.[62] Im Bereich der Gesetzgebung
handelt die Bundesregierung hingegen als Verfassungsorgan, so dass die
Bestimmungen des VwVfG jedenfalls nicht unmittelbar zur Anwendung
kommen.
Die in der Vereinbarung, insbesondere in der Einleitung
gewählten Formulierungen - die Rede ist von einer "Verständigung", von
"Eckpunkten", auf deren Grundlage das Atomgesetz umgestaltet werden soll -
lassen erkennen, dass eine vertragsrechtliche Bindung der Verhandlungspartner
nicht gewollt war. Dass die Vereinbarung nur den Charakter einer politischen
Übereinkunft haben sollte, entspricht auch dem Verständnis der
Beteiligten selbst, die stets den politischen Charakter der Übereinkunft in
der Öffentlichkeit deutlich gemacht haben. Auch wird man anführen,
dass eine rechtlich verbindliche Abmachung betreffend die inhaltliche
Ausgestaltung eines Gesetzentwurfs in der bisherigen Rechtspraxis kein Vorbild
hat und auch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt
wäre.[63] Wir
befinden uns hier im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens, welches
typischerweise von der politischen Auseinandersetzung wie auch der Suche nach
Konsens über die gesetzgeberischen Inhalte geprägt ist. Eine strikte
rechtliche Bindung würde dem politischen Prozess die notwendige
Flexibilität nehmen. Dass diese Flexibilität auch vorliegend gewahrt
werden soll, wird daran deutlich, dass der Regierungsentwurf zur Novellierung
des Atomgesetzes vor der Befassung des
Kabinetts[64] zwischen den Verhandlungspartnern
nochmals beraten werden soll.
Die vorliegende Vereinbarung gehört also in den Bereich
des sogenannten informalen oder informellen
konsensualen Staatshandelns in Form von Absprachen. Die Rechtslehre wendet
Absprachen in verstärktem Maße Aufmerksamkeit zu, seit deutlich
geworden ist, dass eine Verständigung zwischen Verwaltung und Privaten,
welche den Erlaß eines späteren Rechtsaktes nur noch als bloße
Förmlichkeit erscheinen läßt, in großem Umfang praktiziert
wird.[65] In der
Verwaltungspraxis - insbesondere im Bereich des
Umweltschutzes[66] - war allerdings
regelmäßig der Erlaß bzw. Nichterlaß von
untergesetzlichen Rechtsnormen, d.h. von Rechtsverordnungen und Satzungen,
Gegen-stand von Absprachen. Ihre rechtspolitische Bewertung als Instrumente
staatlichen Handelns reicht von entschiedener Ablehnung ("Dunkelkammer des
Rechtsstaates)[67]
bis hin zu überschwenglicher
Befürwortung.[68] Die Besonderheit an
vorliegender Absprache ist, dass sie auf die inhaltliche Ausgestaltung bzw. den
Nichterlaß eines förmlichen Gesetzes zielt. Abspracheinhalt ist die
politische Bindung des Gesetzesinitiativrechts der Bundesregierung aus Art. 76
Abs. 1 GG. Nach einem Präzedenzfall für eine derartige Absprache sucht
man in der bisherigen Staatspraxis vergebens; jedenfalls sind derartige
Absprachen bislang nicht öffentlich geworden. Die bislang bekannt
gewordenen normvertretenden oder normabwendenden "Absprachen" bestanden im Kern
aus einer Selbstverpflichtung von Verbänden oder Unternehmen, zur
Lösung in der Regel von Umweltproblemen durch bestimmte freiwillige
Maßnahmen
beizutragen.[69]
Gesetzesabwendende Selbstverpflichtungen sind sowohl auf Bundes- wie auch auf
Landesebene selten.[70] In der Regel kamen
diese Selbstverpflichtungen in Hinblick auf die staatliche Ankündigung oder
"Drohung" zustande, andernfalls entsprechende und nicht selten rigidere
Rechtsnormen zu
erlassen.[71]
Zutreffend wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass sowohl den
Selbstverpflichtungserklärungen der Wirtschaft wie auch den entsprechenden
Zusagen des Staates schon im Ansatz jede rechtliche Bindung fremd
ist.[72]
2. Rechtmäßigkeit der Absprachea) Rechtmäßigkeitsmaßstäbe für Absprachen im allgemeinenAbsprachen werden regelmäßig ohne "Bindungswillen",
also als faktische Verhaltensabstimmung im Rahmen eines "gentlemen´s
agreement" getroffen. Absprache und Vertrag gemeinsam ist freilich die Erwartung
der Beteiligten, dass der gefundene Konsens nicht folgenlos bleiben soll; bei
einem Vertrag beruht diese Erwartung auf seiner rechtlichen Verbindlichkeit; bei
einer Absprache gehen beide Seiten - ohne Rechtsgründe - von ihrer
Einhaltung aus.[73] Dies heißt allerdings
nicht, dass sich die Verwaltung im Bereich der Absprache in einem rechtsfreien
Raum bewegte. Zwar kann es mangels eines "Rechtsfolgewillens" keine
Erfüllungsansprüche und dementsprechend keine Klagemöglichkeiten
geben, aber die staatlichen Organe sind auch bei schlichtem Hoheitshandeln an
das Recht gebunden.[74] Etwaige
Abspracheverbote knüpfen allerdings nicht an die Form, sondern wie
allgemein bei Realakten an den tatsächlichen Charakter, den
tatsächlich bewirkten Erfolg an. Informales konsensuales Verwaltungshandeln
ist weder a priori unzulässig noch
zulässig.[75] Ob eine Absprache rechtliche
Grenzen überschreitet, ist dementsprechend im Einzelfall nach Maßgabe
ihres Inhalts zu bestimmen.
Schwierigkeiten bereitet freilich die Maßstabsfindung.
Eindeutige Maßstäbe lassen sich dem geltenden Recht - dies ist allen
Realakten gemeinsam - nicht entnehmen. Orientierung findet man hier an
allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen wie dem Vorrang des
Gesetzes, dem Gesetzesvorbehalt, den Grundrechten, dem Übermaßverbot
und dem hier in besonderer Weise angesprochenen Grundsatz der Gewaltenteilung.
Insofern mag an dieser Stelle die Frage dahinstehen, ob die für
öffentlich-rechtliche Verträge geltenden Vorschriften der §§
54 ff. VwVfG, soweit sie die genannten Grundsätze konkretisieren, analog
auf Absprachen anzuwenden sind. Grundsätzlich folgt freilich aus der
Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz, dass nicht Gegenstand einer
Absprache sein darf, was rechtlich missbilligt ist und nicht durch
rechtsförmliches Handeln angestrebt werden
darf.[76] Ist ein Verwaltungsvertrag also wegen
Verstoßes gegen die §§ 56, 58 VwVfG oder gegen sonstige
Rechtsvorschriften rechtswidrig, so wird zu prüfen sein, ob dies in
gleicher Weise für eine Absprache gilt, die Entsprechendes
regelt.[77] Kunig plädiert in
diesem Zusammenhang dafür, "trotz des grundlegenden Unterschiedes zwischen
rechtlicher oder faktischer Wirkung (...) das Telos der auf Rechtseinhaltung und
Interessenschutz Dritter zielenden Vorschriften des Verwaltungsvertragsrechts
auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Absprachen zur Wirkung zu
bringen."[78] Dies ist etwa dann der Fall, wenn
durch eine Absprache die Anforderungen an die Sachgerechtigkeit eines bestimmten
Verwaltungsverfahrens in Frage gestellt wird und damit auch die behördliche
Entscheidung selbst rechtswidrig wird[79] oder
aber wenn Rechte Dritter bereits durch die Absprache - faktisch - gefährdet
werden.
b) ZuständigkeitsfragenAuch für Realakte gilt die
Zuständigkeitsordnung. Der Realakt einer
unzuständigen Stelle wäre
rechtwidrig.[80] In der Vereinbarung sichert
die Bundesregierung (u.a.) einen störungsfreien Betrieb während der
verbleibenden Laufzeit zu. Die Vereinbarung hat zum Gegenstand die Wahrnehmung
administrativer Aufgaben, die der Bundesregierung als Kollegium oder dem jeweils
zuständigen Ressortminister im Rahmen des Vollzugs des Atomgesetzes, d.h.
im Bereich der Auftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 2 und 3 GG zugewiesen sind.
In die Verwaltungszuständigkeit der Länder wird damit nicht
eingegriffen, da sich die Zusage der Bundesregierung nach zutreffender Auslegung
nur auf die Wahrnehmung der dem Bund hinsichtlich des Vollzugs des Atomgesetzes
zustehenden Befugnisse bezieht. Da das Atomgesetz in wesentlichen Teilen durch
die Länder im Wege der Auftragsverwaltung ausgeführt wird, stehen dem
Bund gemäß Art. 85 GG umfassende Einwirkungsbefugnisse auf die
Verwaltungsführung der Länder zu, die gerade auch die
Zweckmäßigkeitskontrolle umfassen.
Soweit Zuständigkeiten zum Vollzug des Atomgesetzes der
bundeseigenen Verwaltung, d.h. dem Bundesamt für
Strahlenschutz[81], übertragen sind, liegt
die Fachaufsicht beim Bundesumweltminister. Die Zusage eines
"störungsfreien Betriebes" dürfte danach im Sinne einer entsprechenden
Ausübung der fachaufsichtlichen Befugnisse zu verstehen sein.
c) Unzulässige Vorwegbindung des Normgebers?Im weiteren geht es in der Vereinbarung um den künftigen
Inhalt des novellierten Atomgesetzes. Insoweit steht dem Bund gemäß
Art. Art. 73 Nr. 11a GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zu, von der er
auch bereits mit Erlass des Atomgesetzes in erschöpfender Weise Gebrauch
gemacht hat. Die Länder sind mithin von der Gesetzgebung ausgeschlossen
(Art. 72 Abs. 1 GG). Hinsichtlich der Organkompetenz ist zunächst
festzuhalten, dass sich gesetzesvorbereitende Absprachen nur auf die
betreffenden Initiativrechte beziehen können, soweit ihre Ausübung im
Ermessen des jeweiligen Entscheidungsträgers steht, d.h. eine
Gesetzgebungspflicht aus grundrechtlichen Schutzpflichten oder wegen
gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben nicht
besteht.[82]
Vorliegend gilt also, dass sich die Bundesregierung lediglich hinsichtlich der
Ausübung des ihr in Art. 76 Abs. 1 GG zugewiesenen Gesetzesinitiativrechts
politisch bindet. In keinem Fall kann ein Organ durch seine Mitwirkung an einer
die Normsetzung betreffenden Absprache die Befugnis anderer Organe zur
Gesetzgebung beeinträchtigen. Der Normgeber selbst, das Parlament wie auch
der Bundesrat, sind an der Absprache nicht beteiligt und dementsprechend auch
nicht gebunden. Sie sind nicht gehindert, in Abweichung von der Absprache aktiv
zu werden. Es stellt sich freilich die Frage, ob nicht angesichts der jedenfalls
in der politischen Praxis hervorragenden Bedeutung der Bundesregierung bei der
Vorbereitung von Gesetzentwürfen eine - wenn auch nur politische -
Vorwegbindung derselben den Gesetzgebungsprozess in unzulässiger Weise
determiniert. Dies zu bejahen, hieße allerdings jegliche politische
Einflussnahme auf die Bundesregierung oder die fachlich zuständigen
Ressortminister im Vorfeld von Gesetzgebungsvorhaben als der Gewaltenteilung
widerstreitend zu brandmarken. Hinsichtlich der Ausübung ihres
Initiativrechts besitzt die Bundesregierung einen eigenen, politischen
Entscheidungsspielraum. Weder der Entscheidungsprozess selbst noch sein Ergebnis
sind an bestimmte rechtliche Vorgaben gebunden. Den aus rechtsstaatlicher und
demokratischer Perspektive zu stellenden Anforderungen an die Transparenz des
Normsetzungsvorgangs wird im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens
genügt. Hier liegt auch der entscheidende Unterschied zu
Normsetzungsverträgen im Bereich des Bauplanungsrechts, in denen sich eine
Gemeinde zum Erlass oder zur Änderung eines Bebauungsplanes verpflichtet.
Die vertragliche oder auch politisch - faktische - Vorwegbindung des Normgebers,
hier des Gemeinderates, kann zu einem Verstoß gegen das in § 1 Abs. 6
BauGB festgeschriebene Abwägungsgebot führen und damit die Nichtigkeit
des nachfolgend erlassenen Bebauungsplans bewirken. Derartige
Abwägungsprozesse sind der Bundesregierung im Rahmen der Ausübung
ihres Initiativrechts gerade nicht aufgegeben.
d) Vereinbarung zu Lasten Dritter?Durch die Zusicherung eines "störungsfreien" Betriebes
während der Restlaufzeit wird der Einsatz des drittschützenden
Eingriffsinstrumentariums des Atomgesetzes in Hinblick auf seinen
maßgeblichen Schutzzweck in § 1 Nr. 2 AtomG nicht berührt.
Ausdrücklich wird in der Vereinbarung festgestellt, dass während der
Restlaufzeiten der von Recht und Gesetz geforderte hohe
Sicherheitsstandard weiter zu gewährleisten ist. Eine anderslautende Abrede
wäre im übrigen auch unzulässig: Der von der Rechtsprechung
vielfach bestätigte Grundsatz des dynamischen
Grundrechtsschutzes[83] gebietet eine
Berücksichtigung des sich weiterentwickelnden Standes von Wissenschaft und
Technik auch im Rahmen nachträglicher Sicherheitsanordnungen.
3. Vorliegen eines Verzichts auf den Schutz aus Art. 14 GG durch die Kraftwerksbetreiber?a) Fraglich ist, ob in der Vereinbarung - wenn auch nicht
ausdrücklich - so doch konkludent ein Verzicht seitens der
Kernkraftwerksbetreiber auf den ihnen durch Art. 14 GG (und möglicherweise
auch durch Art. 12 GG) gewährleisteten Grundrechtsschutz insoweit liegt,
als er sich auf den unbeschränkten Betrieb eines genehmigten
Kernkraftwerkes bezieht. Vieles ist beim Problem des Grundrechtsverzichts
dogmatisch noch
ungeklärt.[84]
Die kontroverse Diskussion über die grundsätzliche Zulässigkeit
wie auch die Voraussetzungen für einen rechtlich wirksamen Verzicht auf
grundrechtlich geschützte Positionen kann an dieser Stelle nicht im
einzelnen nachgezeichnet werden. Nur so viel: In den allermeisten Fällen
gibt der Text des Grundgesetzes keinen Anhaltspunkt für die
Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Grundrechtsverzichts. Vielmehr
ist insoweit auf die Funktion der Grundrechte zurückzugreifen: Das
klassische Grundrechtsverständnis betont die Funktion der Grundrechte als
subjektive Freiheitsrechte des Bürgers gegen des Staat und sieht den
Grundrechtsverzicht dementsprechend als Akt der
Freiheitsausübung.[85]
Demgegenüber geht das neuere Grundrechtsverständnis von einer
objektiven Funktion der Grundrechte aus, über die der Bürger nicht
disponieren kann.[86] Die
Rechtsprechung[87] und wohl auch die
h.L.[88] verbinden
beide Funktionen und bejahen sowohl die Zulässigkeit wie auch die
Unzulässigkeit des Grundrechtsverzichts. Maßgeblich ist die Funktion
des konkret betroffenen Grundrechts, die Grund und Ausmaß der dem
einzelnen zustehenden Befugnis, über das von dem Grundrecht
gewährleistete Rechtsgut zu disponieren, bestimmt. Gewinnt danach das
betroffene Grundrecht Bedeutung für den Bereich der politischen Willens-
und Staatsbildung wie z.B. das Wahlrecht, wird man im Ergebnis den
Grundrechtsverzicht für unzulässig halten. Soweit demgegenüber
ein Grundrecht der persönlichen Entfaltungsfreiheit dient wie etwa die
Eigentums- und Berufsfreiheit, spricht eine Vermutung für die
Zulässigkeit des Grundrechtsverzichts. Voraussetzung für die
Wirksamkeit des Grundrechtsverzichts ist weiter, dass er deutlich erkennbar, in
voller Kenntnis des Sachverhalts und freiwillig, d.h. nicht unter Druck oder
Täuschung zustande gekommen ist.[89]
Folge des Grundrechtsverzichts ist die Schmälerung einer
grundrechtlich geschützten Rechtsposition. Der nachträglichen
gesetzlichen Beschränkung der Betriebserlaubnis im Wege der
Strommengenbegrenzung würde von vornherein die
Eingriffsqualität[90], jedenfalls aber die
Rechtswidrigkeit genommen.[91] Dies hätte
weiter zur Folge, dass es bei einer Überprüfung des novellierten
Atomgesetzes im Rahmen eines etwaigen abstrakten Normenkontrollverfahrens auf
die Frage, ob die nachträgliche Beschränkung der Betriebserlaubnis mit
Art. 14 GG vereinbar ist, jedenfalls in Hinblick auf diejenigen
Kraftwerksbetreiber, die der Vereinbarung zugestimmt und mithin den
Grundrechtsverzicht wirksam erklärt
haben[92], nicht mehr
ankommt.[93]
b) Allerdings: Auch, wenn es vorliegend also um einen Bereich
geht, in dem der Verzicht auf bestimmte Schutzwirkungen von Grundrechten in
großem Umfang als zulässig zu betrachten ist, so bestehen doch
Bedenken in Hinblick auf die Wirksamkeit eines möglichen
Grundrechtsverzichts aus dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts in Art. 14
Abs. 1 Satz 2 GG. Ganz allgemein ist die Relevanz des Gesetzesvorbehalts
für die Zulässigkeit des Grundrechtsverzichts mit dem Argument
verneint worden, er gelte nach seinem Zweck primär für Eingriffe gegen
den Willen des Bürgers; stimme der Bürger zu, entfalle die
Schutzfunktion des Gesetzesvorbehalts. Diese Ansicht verkennt freilich die
Bedeutung des Gesetzesvorbehalts auch zur Sicherung des Primats des
Gesetzgebers, d.h. des rechtsstaatlich-demokratischen Systems. Das Parlament
kann sich nicht seiner Aufgabe entledigen, als politisches Führungsorgan zu
wirken.[94] Die Wahrnehmung dieser politischen
Führungsaufgabe bedeutet auch, gesetzgeberische Entscheidungen in voller
Kenntnis ihrer verfassungsrechtlichen Tragweite zu treffen und den
Abwägungsprozess entsprechend, d.h. vorliegend gemäß den
Vorgaben in Art. 14 GG auszurichten. Die mit dem Verzicht auf die friedliche
Nutzung der Kernenergie verbundene Neugestaltung der Eigentumsordnung ist vom
Gesetzgeber in vollem Umfang verfassungsrechtlich zu verantworten. Von dieser
Verantwortung kann er nicht dadurch freigestellt werden, dass die betroffenen
Alteigentümer in die Beschränkung der Schutzwirkung aus Art. 14 GG
einwilligen mit der Folge, dass die Kriterien, die Art. 14 für die
Zulässigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung aufstellt, insoweit
nicht mehr zum Zuge kommen. Gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind
Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums durch Gesetz zu treffen. Wie
bereits oben gezeigt worden ist, sind die Eckpunkte der Ausstiegsregelung:
Änderung der Zweckbestimmung des Atomgesetzes, der Ausschluss von
Neugenehmigungen für die Zukunft und die Beschränkung bzw. Beseitigung
bestehender Anlagengenehmigungen nicht als Legalenteignung, sondern als Inhalts-
und Schrankenbestimmung zu qualifizieren. Die nachträgliche
Strommengenbegrenzung und vorzeitige Beseitigung der Anlagengenehmigung stellen
wesentliche Elemente des Atomausstiegs dar; sie sind Teil einer das Eigentum
ausgestaltenden Gesamtregelung iS von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
Darüber hinaus folgt aus dem Prinzip des Rechtsstaats wie
aus dem Demokratieprinzip, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen
Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, alle wesentlichen
Entscheidungen selbst zu treffen und in vollem Umfang zu verantworten
hat.[95] In
Hinblick auf die Nutzung der Atomenergie hat das Bundesverfassungsgericht die
Geltung des Gesetzesvorbehalts bereits im Kalkar-Beschluss aus dem Jahre 1978
insoweit festgestellt: "Die normative Grundsatzentscheidung für oder gegen
die rechtliche Zulässigkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie im
Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland ist wegen ihrer weitreichenden
Auswirkungen auf die Bürger, insbesondere auf ihren Freiheits- und
Gleichheitsbereich, auf die allgemeinen Lebensverhältnisse und wegen der
notwendigerweise damit verbundenen Art und Intensität der Regelung eine
grundlegende und wesentliche Entscheidung im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes.
Sie zu treffen ist allein der Gesetzgeber
berufen."[96] Als wesentlich wird man nicht nur
die Grundsatzentscheidung für oder gegen die Zulässigkeit der Nutzung
der Kernenergie, sondern auch die grundlegenden Gestaltungselemente einer
solchen Entscheidung einstufen müssen.
4. Rechtsmittelverzichta) In der Vereinbarung könnte allerdings ein Verzicht
seitens der Kernkraftwerksbetreiber auf die Einlegung von Rechtsmitteln
unmittelbar gegen das noch zu erlassende novellierte Atomgesetz bzw. gegen die
auf seiner Grundlage ergehenden Umsetzungsmaßnahmen
liegen.[97] Ein Rechtsmittelverzicht kann
ausdrücklich oder stillschweigend
erfolgen.[98] Insgesamt können die
Formulierungen in der Vereinbarung nur sinnvoll in diesem Sinne gedeutet werden.
Besonders deutlich wird dies in der Einleitung, wenn es dort heißt:
"Unbeschadet der nach wie vor unterschiedlichen Haltungen zur Nutzung der
Kernenergie respektieren die EVU die Entscheidung der Bundesregierung, die
Stromerzeugung aus Kernenergie geordnet beenden zu wollen. Vor diesem
Hintergrund verständigen sich Bundesregierung und Versorgungsunternehmen
darauf, die künftige Nutzung der vorhandenen Kernkraftwerke zu befristen."
Weiter versichern beiden Seiten, dass sie "ihren Teil dazu beitragen, den Inhalt
der Vereinbarung dauerhaft umzusetzen." Beide Seiten gehen dementsprechend davon
aus, dass Rechtsmittel seitens der Kraftwerksbetreiber nicht ergriffen werden.
Die Absprache dient der einvernehmlichen Regelung des Atomausstiegs; aus
der Sicht der Bundesregierung ist dies von besonderer Bedeutung, da auf diesem
Wege die Risiken entschädigungs- und verfassungsrechtlicher Klagen der
Kraftwerksbetreiber gegen eine gesetzliche Regelung ausgeschaltet
werden.
Nach der Rechtsprechung liegt in einem Rechtsmittelverzicht
nur insoweit auch ein Grundrechtsverzicht, als auf Rechtsschutz gegen Akte der
vollziehenden Gewalt verzichtet wird. Vom Begriff der öffentlichen Gewalt
in Art. 19 Abs. 4 GG soll nur die Exekutive, nicht aber der Gesetzgeber
erfaßt sein.[99] Dem wird freilich zu
Recht entgegengehalten, dass dort, wo wegen der besonderen Normstruktur die
Inzidentkontrolle eines Gesetzes im Rahmen der Überprüfung von
Umsetzungsmaßnahmen nicht greifen kann - und so könnte es hier
liegen, da die Beschränkung der Anlagengenehmigung mit der Folge ihres
vorzeitigen Erlöschens offensichtlich unmittelbar durch das Atomgesetz
gewirkt werden soll - eine Erstreckung des Grundrechtsschutzes aus Art. 19 Abs.
4 GG auch auf Gesetzgebungsakte angemessen ist. In diesen Fällen würde
die Verfassungsbeschwerde den geforderten Rechtsweg gemäß Art. 19
Abs. 4 GG darstellen.[100]
Allgemein wird der Verzicht auf Rechtsmittel für
zulässig erachtet, wenn die betreffende Entscheidung erlassen oder - wie
hier - jedenfalls in ihrem konkreten Inhalt absehbar
ist.[101] Im
letzteren Fall kann auch unter der auflösenden Bedingung verzichtet werden,
dass die Entscheidung, hier das novellierte Atomgesetz, einen bestimmten Inhalt
hat, also nicht über die in der Absprache getroffenen Vereinbarungen zum
Nachteil der Kraftwerksbetreiber
hinausgeht.[102]
b) Wie bereits oben erwähnt, muss der Rechtsverzicht -
unabhängig davon, ob er sich als Grundrechtsverzicht oder Verzicht auf eine
sonstige Rechtsposition darstellt - freiwillig erklärt werden. Erfolgt der
Verzicht nicht freiwillig, liegt kein Verzicht, sondern ein Entzug vor. Folge
eines unfreiwilligen Rechtsmittelverzichts wäre die
Unwirksamkeit[103], jedenfalls die
Anfechtbarkeit der Verzichtserklärung entsprechend den Grundsätzen in
Art. 119 BGB.[104] An die Freiwilligkeit sind
hohe Anforderungen zu stellen. Ob ein Verzicht freiwillig zustande gekommen ist,
kann mitunter schwer festzustellen sein. So liegt es auch hier. Es wurde bereits
dargelegt, dass sich die Energieversorger, insbesondere im Bereich der
Entsorgung in Bedrängnis sehen. Werden die Atomtransporte nicht in
Kürze wieder aufgenommen, droht der Ausstieg auf "kaltem Wege" durch
Verstopfung der Lagerkapazitäten. In der letzten Phase der
Konsensgespräche verdichteten sich die Hinweise, dass die Bundesregierung
die Blockade der Entsorgungswege entgegen § 4 AtomG als Druckmittel bei den
Konsensgesprächen eingesetzt und auch im übrigen einen
ausstiegsorientierten Vollzug des Atomgesetzes für den Fall des Scheiterns
der Gespräche in Aussicht gestellt
hat.[105] Auch der Wortlaut der Absprache,
der den Betreibern, die Einhaltung der atomrechtlichen Anforderungen
vorausgesetzt, eine Ausnutzung der Restlaufzeit ohne störende
behördliche Interventionen wie auch die Möglichkeit der Entsorgung
(jedenfalls bis zur Inbetriebnahme der standortnahen Zwischenlager sowie der
Beendigung der Wiederaufbereitung im Ausland) zusichert, kann letztlich nur in
diesem Sinne gedeutet werden, da das Atomgesetz außerhalb der in den
§§ 17 und 19 AtomG genannten Fällen, d.h. bei
Sicherheitsdefiziten, keine Interventionsmöglichkeiten
bereithält.[106] Ein
ausstiegsorientierter Gesetzesvollzug aber wäre unter allen Umständen,
d.h. auch auf der Grundlage des novellierten, auf die Beendigung der
Kernenergienutzung ausgerichteten Atomgesetzes, verfassungswidrig, da Art. 14
Abs. 1 GG den abrupten Atomausstieg gerade nicht gestattet. Gefordert sind
Übergangsregelungen in Form von Restlaufzeiten, bis zu deren Ablauf der
Anlagenbetrieb aber auch nach Recht und Gesetz ermöglicht werden muß.
Die kurzfristige Verstopfung der Entsorgungswege, die den Ausstieg sozusagen
"auf kaltem Wege" bewirken würde, wäre mithin ebenso
verfassungswidrig.
Sollten sich die hier geäußerten Vermutungen als
zutreffend erweisen, wäre die Freiwilligkeit des in der Absprache liegenden
Rechtsmittelverzichts, d.h. die Selbstbestimmtheit des Grundrechtsgebrauchs,
zumindest in Frage gestellt.[107] Dem wird
man freilich entgegnen, dass es den Energieversorgern im Rahmen der Absprache
gelungen ist, Modalitäten für einen Ausstieg auszuhandeln, die sich im
Gesamten recht günstig ausnehmen, jedenfalls deutlich günstiger als
von der Bundesregierung zunächst beabsichtigt. Diese hatte
ursprünglich eine strikte Befristungsregelung mit deutlich kürzeren
Restlaufzeiten favorisiert. Wo hier die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG
vorgegebene verfassungsrechtliche Grenze in Hinblick auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verläuft, ist nicht eindeutig. Aus der
Sicht der Energieversorger jedenfalls beseitigt die Absprache das Risiko einer
rigideren gesetzlichen Ausstiegsregelung und mithin eines Rechtsstreites, dessen
Ausgang durchaus ungewiß gewesen wäre.
Die Wirksamkeit des Verzichts hängt des weiteren davon
ab, dass ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot nicht gegeben ist. Das
Koppelungsverbot als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips soll den Bürger
davor schützen, Verpflichtungen einzugehen bzw. sich Rechtspositionen zu
begeben, die auch unter Berücksichtigung des zugrundeliegenden
do-ut-des-Verhältnisses nicht gerechtfertigt
erscheinen.[108] Insbesondere soll die
öffentliche Hand, wenn der Bürger einen Anspruch auf eine Leistung
hat, diese Leistung grundsätzlich nicht von einer Gegenleistung
abhängig machen können. Die Zusage einer störungsfreien
Ausnutzung der verbleibenden Laufzeit der Kernanlagen kann nicht anders als die
Zusicherung verfassungskonformen Verhaltens gedeutet werden. Dass sich die
Verwaltung rechtmäßig verhält, darf der Bürger freilich
ohne weiteres erwarten; eine Gegenleistung kann ihm dafür nicht abverlangt
werden. Andererseits wird man auch hier in eine Gesamtbetrachtung eintreten
müssen. Gegenstand der Absprache und Beweggrund für den
Rechtsmittelverzicht ist auch die implizite Zusage der Bundesregierung, von
einer einseitigen, die Interessen der Kraftwerksbetreiber in geringerem Umfang
berücksichtigenden gesetzlichen Regelung abzusehen. Insgesamt handelt es
sich vorliegend wohl nicht um eine Konstellation, die das Koppelungsverbot,
welches den Bürger letztlich vor einer "Übervorteilung" durch die
öffentliche Hand schützen soll, im Auge hat.
VII. FazitSind also bestimmte Vorgaben beachtet, wie sie im
Vorangegangenen erläutert worden sind, kann der Atomausstieg im
Zusammenwirken von konsensualem Handeln und Gesetz rechtmäßig bewirkt
werden. Es darf erwartet werden, dass die Vorstände der
Energieversorgungsunternehmen ihren Aktionären die Verhandlungssituation
offen legen werden, um das erzielte Ergebnis als das unter den Umständen
Bestmögliche zu rechtfertigen. In diesem Rahmen könnte also einiges an
Aufklärung geschehen. Und es ist zu hoffen, dass die Öffentlichkeit
danach klüger und das Vertrauen in den Rechtsstaat ungebrochen ist.
F u ß n o t e n [*] Der Beitrag geht
auf den Habilitationsvortrag zurück, den die Verfasserin am 7. Juni 2000
vor der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der
Universität des Saarlandes gehalten hat. Er wird demnächst auch in der
DÖV (voraussichtlich in Heft 22 oder 23) erscheinen.
[2] Es handelt sich hierbei um
die VEBA AG, die VIAG AG, die RWE AG und die Energie Baden-Württemberg AG.
Seitens der Bundesregierung wurde die Vereinbarung vom Chef des
Bundeskanzleramtes und jeweils einem Staatssekretär aus dem
Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium paraphiert.
[3] Der Förderzweck in
§ 1 Nr. 1 AtomG wurde ohnehin nachrangig gegenüber dem Schutzzweck in
§ 1 Nr. 2 AtomG betrachtet; vgl. Michael Kloepfer, Umweltrecht, 2.
Aufl., 1998, § 15, Rdnr. 16 ff..
[4] Nicht verboten wird die
Forschung auf dem Gebiet der Kerntechnik.
[5] Für das Kernkraftwerk
Obrigheim, dass bereits seit 1968 in Betrieb ist, wird eine Übergangsfrist
bis zum 31.12.2002 vereinbart.
[6] Diese liegt deutlich unter
der technischen Laufzeit eines Kernkraftwerkes von derzeit durchschnittlich
40-45 Kalenderjahren. Eine Studie der Deutschen Bank Research vom 26.2.1999, S.
6 geht sogar von einer maximalen Laufzeit von 40-60 Kalenderjahren
aus.
[7] Abschnitt II. der
Vereinbarung. Die Berechnung der Reststrommenge erfolgt auf der Grundlage einer
auf den Durchschnitt der fünf höchsten Jahresproduktionen zwischen
1990 und 1999 bezogenen Referenzmenge, die auf Grund „der sich
fortsetzenden technischen Optimierung, der Leistungserhöhung einzelner
Anlagen und der durch die Liberalisierung u.a. veränderten Reservepflicht
zur Netzstabilisierung“ um weitere 5,5 % erhöht wird. Die
Reststrommenge ergibt sich durch Multiplikation der entsprechend erhöhten
Referenzmenge mit der Restlaufzeit (Regellaufzeit von 32 Kalenderjahren -
Betriebsdauer in Kalenderjahren). Die sich so ergebenden Reststrommengen sind in
der Anlage 1 zur Vereinbarung aufgeführt.
[8] Im Gegenzug verpflichtet
sich die RWE Energie AG, den Genehmigungsantrag für das KKW
Mühlheim-Kärlich sowie die gegen das Land Rheinland-Pfalz gerichtete
Schadensersatzklage zurückzunehmen. Mit der Vereinbarung sollen „alle
rechtlichen und tatsächlichen Ansprüche im Zusammenhang mit dem
Genehmigungsverfahren sowie mit den Stillstandszeiten der Anlage
abgegolten“ sein, Abschnitt II Nr. 5 der Vereinbarung. Hierin könnte
eine Abgeltungserklärung gegenüber dem Bund liegen, die sich
jedenfalls hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche zugunsten
des Landes Rheinland-Pfalz als pactum de non petendo auswirkt. Das Land
Rheinland-Pfalz ist Klagegegner (im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach dem
Atomgesetz und der Amtshaftungsklage) und auch um übrigen potentieller
Anspruchsgegner der RWE AG.
[9] Insoweit besteht
Einvernehmen, dass „diese Strommenge auf das KKW Emsland oder andere
neuere Anlagen sowie auf die Blöcke B und C des KKW Grundremmingen und max.
20 % auf das KKW Biblis B übertragen werden.“, Abschnitt II. Nr. 5
der Vereinbarung.
[10] Abschnitt III. 1. der
Vereinbarung. Zusätzlich verpflichten sich die Energieversorger, bis zu
einem in der Anlage 3 zu der Vereinbarung für jedes KKW festgelegten
Zeitpunkt eine umfassende Sicherheitsüberprüfung (SSA und PSA)
durchzuführen und die Ergebnisse den Aufsichtsbehörden vorzulegen.
Diese Sicherheitsüberprüfungen sind alle 10 Jahre zu wiederholen. Die
Überprüfung entfällt, wenn der Betreiber verbindlich
erklärt, dass er den Betrieb der Anlage binnen 3 Jahren nach den in Anlage
3 genannten Terminen einstellen wird.
[11] Abschnitt IV. der
Vereinbarung.
[12] Abschnitt IV. Nr. 4 der
Vereinbarung. Das Moratorium soll mindestens 3 und längstens 10 Jahre
dauern.
[13] Abschnitt I.
(Einleitung) und V. Nr. 2 der Vereinbarung. Die vorgesehenen Änderungen
sind nochmals im einzelnen in Anlage 5 zu der Vereinbarung
aufgeführt.
[14] Abschnitt V. Nr. 2 der
Vereinbarung.
[15] Konrad Kruis, Der
gesetzliche Ausstieg aus der „Atomwirtschaft“ und das Gemeinwohl,
DVBl. 2000, S. 441, 442.
[16] Hierauf weist auch
Kruis, a.a.O., S. 441 (442) mit Nachdruck hin.
[17] Studie des eher
atomkritischen Bremer Energie-Instituts unter der Leitung von Prof. Wolfgang
Pfaffenberger im Auftrag der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke
(VDEW) vom Dezember 1998; vgl. auch die Zusammenfassung der Ergebnisse:
„Zur Bedeutung der Kernenergie für die Volkswirtschaft und die
Umwelt. Zur Abschätzung der Kosten eines Ausstiegs, atw 1999, S. 146;
Studie des Lehrstuhls für Energiewirtschaft der Universität Essen
unter der Leitung von Professor Dieter Schmitt, Kosten eines
Kernenergieaustiegs in Deutschland, et 1999, S. 6; Studie der Deutschen Bank
Research vom 26. Februar 1999, die sich u.a. auf die Analyse des Bremer
Energie-Instituts bezieht.
[18] Per saldo bewirke ein
Schnell-Ausstieg zusätzliche CO2 Emissionen von über die
Jahre bis 2030 kumuliert 1.850 Mio. t.; dies sei etwa das Zweifache des
derzeitigen jährlichen Gesamtausstoßes in Deutschland bzw. das
Zehnfache der jährlichen Emissionen des Verkehrssektors, vgl. die Studie
des Bremer Energie-Institutes, S. 26.
[19] Gemeint sind hier die
von der Bundesrepublik im Rahmen des Klimaschutz-Protokolls von Kyoto,
UB-Doc.FCCC/CP/1997/L.7/Add.1 eingegangenen
CO2-Reduktionsverpflichtungen. Im Rahmen des burden sharing innerhalb
der EG hat die Bundesrepublik Deutschland 1998 eine Reduktionslast von 21 % bis
2012, gemessen am Stand von 1990, übernommen; vgl. Bull. EG - 6/1998, S.
72. Das Protokoll ist bislang noch nicht in Kraft getreten. Die Erreichung der
Reduktionsziele wäre jedenfalls im Falle eines Sofortausstieges erheblich
erschwert worden. Sie hätte nur durch erhebliche Beschränkungen in den
Verbrauchsbereichen Verkehr, Haushalte und Industrie bewirkt werden können;
vgl. Studie der Deutschen Bank Research, S. 9.
[20] In ihrer Studie weist
die Deutsche Bank weiter darauf hin, dass eine „Energiepolitik, die vor
dem Hintergrund steigender Weltklimagefahren auf der einen Seite einen
Sofortausstieg aus der klimaschonenden Kernenergie verordnete und damit
Kapitalvernichtung in Milliardenhöhe betriebe, auf der anderen Seite aber
die Nutzung der CO2-intensiven heimischen Steinkohle in
Milliardenhöhe subventioniert, in keinem Falle als rational zu
bewerten“ ist, a.a.O., S. 9.
[21] A.a.O., S. 10
f..
[22] Immerhin erspare die
Kernenergie CO2-Emissionen von etwa 160 Mio. Tonnen p.a.. Die
Co2-Reduktionszusage bis 2005 erscheine aber trotz des Ausstiegs einhaltbar, da
bis dahin nur wenige ältere und kleiner Kraftwerke stillgelegt würden,
so dass eine umweltfreundliche Kompensation möglich sein sollte. Der lange
Ausstiegshorizont ermögliche zudem vielfältige Möglichkeit der
politischen Einflussnahme, die zur Reduktion des Energieverbrauchs wie auch
einer Steigerung der Energieeffizienz beitragen könnten; vgl. die Studie
der Deutschen Bank Research, a.a.O., S. 10.
[23] In seiner Studie geht
das Bremer-Energie-Instituts von einer Steigerung des Anteils regenerativer
Energien an der Stromerzeugung von heute 5 auf 15 % bis zum Jahre 2030 aus.
Hingewiesen wird gleichzeitig auf die im Vergleich zu konventionellen
Kraftwerken weitaus geringere Verfügbarkeit einiger regenerativer Energien
(wie Wind und Sonne) aufgrund der Unstetigkeit des natürlichen
Energieangebots, so dass nur ein Mix von erneuerbaren Energien
Grundleistungskraftwerke ersetzen könne, a.a.O. (Anm. 17), S. 16.
[24] Vgl. etwa Klaus
Lange, Rechtliche Aspekte eines „Ausstiegs aus der Kernenergie“,
NJW 1986, S. 2459 (2463).
[25] So die überwiegende
Meinung; vgl. Klaus Borgmann, Rechtliche Möglichkeiten und
Grenzen des Ausstiegs aus der Kernenergie, S. 157 ff.; Bernd Bender,
Abschied vom „Atomstrom“? - Einige Bemerkungen zur Problematik eines
forcierten Ausstiegs aus der Kernenergie, DÖV 1988, S. 813 (816);
Hellmuth Wagner, Ausstieg aus der Kernenergie durch Verwaltungsakt? - Ein
Kurzbeitrag zur Rücknahme und zum Widerruf von
Reaktorbetriebsgenehmigungen, DÖV 1987, S. 524 (527 ff.); Dieter
Sellner, Nachträgliche Auflagen und Widerruf der Genehmigung bei
Kernenergieanlagen - Zu den Eingriffstatbeständen des § 17 AtomG - ,
in: Everhardt Franßen/Konrad Redeker/Otto Schlichter/Dieter Wilke,
Festschrift für Horst Sendler, S. 339 ff.; Kloepfer (Anm. 3), §
15, Rdnr. 72;
[26] Vgl. dazu grundlegend
Horst Sendler, Anwendungsfeindliche Gesetzesanwendung -
Ausstiegsorientierter Gesetzesvollzug im Atomrecht, DÖV 1992, S.
181.
[27] Vgl. dazu Matthias
Schmidt-Preuß, Kernenergiepolitik und Atomrecht, ET 1998, S. 750 (751
f.), der sich auf die mittlerweile vorliegenden Untersuchungsberichte der
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit bezieht.
[28] Die Erteilung der
Genehmigung kann auch nicht unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 Nr. 5 AtomG
versagt werden, weil Störungen seitens demonstrierender Atomkraftgegner zu
erwarten sind, gegen die der betroffene Kernkraftswerksbetreiber allein keine
Vorsorge treffen kann. Es ist Aufgabe des Staates, gegen die Störer
vorzugehen und den Kraftwerksbetreibern die Entsorgung ihrer Abfälle nach
Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des Atomgesetzes zu
ermöglichen.
[29] Die mit Art. 12 GG
zusammenhängenden Fragestellungen bleiben im Folgenden außer
Betracht, vgl. dazu ausführlich und zutreffend Erhard Denninger,
Verfassungsrechtliche Fragen des Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie zur
Stromerzeugung, Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2000, S. 88 ff., der eine Verletzung
der Berufsfreiheit durch eine Ausstiegsregelung im Ergebnis verneint.
[30] Die an der Vereinbarung
beteiligten Energieversorgungsunternehmen sind in der Rechtsform der AG
organisiert. Die Betreibergesellschaften der einzelnen Kernkraftwerke, an denen
die Energieversorgungsunternehmen in unterschiedlicher Stärke beteiligt
sind, treten ganz überwiegend in der juristischen Form der GmbH auf. Die
Frage, ob sich diese juristischen Personen des privaten Rechts trotz ihrer
besonderen öffentlich-rechtlichen Bindungen im Bereich der Stromversorgung
und auch in Hinblick auf die Tatsache, dass die Anteilseigner überwiegend
oder jedenfalls teilweise Körperschaften des öffentlichen Rechts sind,
auf die Eigentumsfreiheit in Art. 14 GG berufen können, gehört zu den
umstrittensten Fragen des Wirtschaftsverfassungsrechts. Nach einer im Vordringen
befindlichen Ansicht in der Literatur soll es für die
Grundrechtsfähigkeit nicht mehr auf die Frage ankommen, ob die
Tätigkeit des betreffenden Unternehmens als Daseinsvorsorge zu
qualifizieren ist, sondern darauf, ob der für die Eröffnung von
Grundrechtsschutz notwendige „Bezug zum Freiheitsraum natürlicher
Personen“ festgestellt werden kann, ob also eine
„grundrechtstypische Gefährdungslage“ gegeben ist; vgl. Sven
Hartung, Zur Grundrechtsfähigkeit der Betreiber von Kernkraftwerken,
DÖV 1992, S. 393 ff. (398); Borgmann (Anm. 25), S. 318 ff.;
Denninger, a.a.O., S. 45 f.; anders noch das Bundesverfassungsgericht in
seinem Kammerbeschluss vom 16.5.1989, JZ 1990, S. 335 zur
Grundrechtsfähigkeit der HEW AG. In eine andere Richtung weist allerdings
der Sasbach-Beschluss des Gerichts, wo es heißt: Art. 14 als Grundrecht
schützt „nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum
Privater“, BVerfGE 61, 82, 109 sowie 75, 192, 200. Zu Recht wird auch
darauf hingewiesen, dass die Grundrechtsträgerschaft nicht je nach den
Beteiligungsverhältnissen variieren könne, vgl. Udo Di Fabio,
Der Ausstieg aus der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie, 1999, S. 93
f..
[31] Erhard Denniger,
Befristung von Genehmigungen und das Grundrecht auf Eigentum, in:
Hans-Joachim Koch/Alexander Roßnagel (Hrsg.), 10. Deutsches
Atomrechtssymposium., S. 167 (173 f.)
[32] Fritz
Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Fragen eines Ausstiegs aus der
friedlichen Nutzung der Kernenergie, AöR 124 (1999), S. 1 ff. (8) stellt
auf die auf der Grundlage der Anlagengenehmigung geschaffene Kernkraftanlage ab;
der Entzug der Genehmigung könne sich deswegen als Enteignung hinsichtlich
der Kernanlage auswirken; aA Matthias Schmidt-Preuß, Die Befristung
von atomrechtlichen Genehmigungen und das Grundrecht auf Eigentum, in:
Hans-Joachim Koch/Alexander Roßnagel (Hrsg.), 10. Deutsches
Atomrechtssymposium., S. 153 (154), der allein auf die Anlagengenehmigung
abstellen möchte. Zur Frage, ob auch ein Eingriff in den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb gegeben ist, einerseits Ossenbühl,
a.a.O., S. 1 (8), der dies bejaht und andererseits Denniger (Anm. 29), S.
49 f..
[33] Vgl. für die
Annahme einer Enteignung einerseits Di Fabio (Anm. 30), S.136 f,;
Ossenbühl (Anm. 32), S. 1 (9 ff.); Matthias
Schmidt-Preuß, Atomausstieg und Eigentum, NJW 2000, S. 1524 (1525 f.);
andererseits Denninger (Anm. 29), S. 51 ff.; Hans-Joachim Koch,
Der Atomausstieg und der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, NJW 2000,
S. 1529 (1533 ff.), Gerhard Roller, Eigentums- und
entschädigungsrechtliche Fragen einer Beendigung der Kernenergienutzung,
in: Alexander Roßnagel/Gerhard Roller, Die Beendigung der
Kernenergienutzung durch Gesetz, 1998, S. 81 (86 ff.).
[34] Vgl. BVerfGE 24, 367,
394; 38, 175, 180; 42, 263, 299; 52, 1, 27; 58, 300, 331; 66, 248, 257; 70, 191,
199f.; 72, 66, 76; 74, 264, 280; Beschluss vom 2.3.1999, NJW 1999, S. 2877
(2878).
[35] BGHZ 6, 270, 280;
BVerwGE5, 143, 145 f.,19, 94, 98 f..; vgl. ausführlich dazu Joachim
Lege, Wohin mit den Schwellentheorien?, JZ 1994, S. 431 ff.; Fritz
Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., 1998, 175 ff..
[36] Vgl. auch die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 24.6.1993 zum
„Herrschinger Moos“. Dort bringt das Gericht zum Ausdruck, dass
Nutzungsverbote in Naturschutzverordnungen auch dann ausschließlich als
Inhalts- und Schrankenbestimmungen anzusehen sind, wenn sie zugleich in
konkrete, eigentumsgeschützte Rechtspositionen eingreifen: „Denn auch
in Fällen dieser Art sind die mit dem Entzug konkreter Rechtspositionen
verbundenen Nutzungsbeschränkungen nach ihrem objektiven Sinn und Zweck auf
eine situationsbedingte (Um-)Gestaltung der Eigentumsordnung, nicht hingegen
darauf gerichtet, diese Ordnung ausnahmsweise im Wege der Enteignung (Art. 14
Abs. 3 GG) zu überwinden, weil zwischen Maßnahmen nach Art. 14 Abs. 1
Satz 2 GG und solchen nach Art. 14 Abs. 3 GG verfassungssystematisch ein
grundlegender Unterschied besteht.“, BVerwGE 94, 1, 5 f., rezipiert vom
BGH in BGHZ 126, 379.
[37] GVBl. 1978, S.
159.
[38] Beschluss vom 2.3.1999,
NJW 1999, S. 2877 (2878); vgl. auch BVerfGE 83, 201, 211 ff.. Demgegenüber
hält Ossenbühl weiterhin daran fest, dass die
eigentumsrechtliche Einordnung des Falles der Totalentleerung des Eigentums als
Enteignung zu qualifizieren sei, a.a.O. (Anm. 32), S. 1 (19 ff.); ein klares
Votum des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage liege auch nach der
Denkmalschutzentscheidung immer noch nicht vor, vgl. ders., JZ 1999, S. 899,
Anmerkung zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2.3.1999; aA
Christoph Moench/Olaf Otting, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts
(Teil 2) - Rechtsfolgen und Konsequenzen der Denkmaleigenschaft, NVwZ 2000, S.
515 (521).
[39] BVerfGE 58, 300, 331 f.,
338.
[40] „Soweit in
älteren Entscheidungen des BVerfG teilweise Formulierungen enthalten sind,
die auf die Annahme eines enteignenden Eingriffs in solchen Fällen
hindeuten (...), sind diese Formulierungen durch die angeführte neuere
Rechtsprechung überholt.“, Kammerbeschluss vom 10. Oktober 1997, NJW
1998, S. 367 (368); kritisch dazu Rudolf Wendt, in: Michael Sachs,
Grundgesetz-Kommentar, 1996, Art. 14, Rdnr. 15; Hans-Jürgen Papier,
in: Theodor Maunz/Günter Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. II,
Art. 14, Rdnr. 351 f., 378.
[41] Ossenbühl,
(Anm. 38), S. 899; Di Fabio (Anm. 30), S. 137; Schmidt-Preuß
(Anm. 32), S. 153 (155 f.).
[42] In diesem Sinne auch -
allerdings bezogen auf die ursprüngliche vorgesehene strikte
Laufzeitbegrenzung - Hans-Joachim Koch, Der Atomausstieg und der
verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, NJW 2000, S. 1529 (1534);
Hans-Joachim Koch/Alexander Roßnagel, Neue Energiepolitik und
Ausstieg aus der Kernenergie, NVwZ 2000, S. 1 (5 f.); im Ergebnis auch
Bernhard Stüer/Sandra Loges, Ausstieg aus der Atomenergie zum
Nulltarif?, NVwZ 2000, S. 9 (12 f.). Vgl. auch die Formulierung von Denninger
(Anm. 29): „Danach ist die im Zusammenhang mit einer legislativ
generell vorgesehenen Beendigung der großtechnischen Nutzung der
Kernenergie normierte Befristung der gegenwärtig bestehenden
Betriebsgenehmigungen nicht als „Enteigung, sondern als „Inhalts-
und Schrankenbestimmung“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu
qualifizieren, a.a.O., S. 62.
[43] BVerfGE 83, 201, 212;
Beschluss vom 2.3.1999, NJW 1999, S. 2877 (2878).
[44] BVerfGE 83, 201, 212
f..
[45] Wie hier Kruis
(Anm. 15), S. 449.
[46] Grundlegend BVerfGE 39,
1, 41; 53, 30, 57; 49, 89, 143.
[47] Kruis (Anm. 15),
S. 445.
[48] Zutreffend Kruis,
a.a.O., S. 444.
[49] BVerfGE 25, 1, 12, 17;
30, 292, 317; 37, 1, 20.
[50] „Dieser
Maßstab verlangt, dass der Gesetzgeber sich an einer sachgerechten und
vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert hat. Er muss die
ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft haben, um die
voraussichtlichen Auswirkungen seiner Regelung so zuverlässig wie
möglich abschätzen zu können und einen Verstoß gegen
Verfassungsrecht zu vermeiden. Es handelt sich also eher um Anforderungen des
Verfahrens.“ BVerfGE 50, 290, 333 f..
[51] Hinsichtlich der
Erforderlichkeit einer Befristungsregelung zum Zweck der Vermeidung der mit der
Nutzung der Kernenergie einhergehenden Risiken bestehen demgegenüber keine
Bedenken.
[52] BVerfGE 80, 137, 160:
Der Gesetzgeber dürfe nicht „offensichtlichen
Fehleinschätzungen“ erlegen sein.
[53] Wie hier
Schmidt-Preuß, (Anm. 32), S. 159.
[54] In diese Richtung
vorsichtig auch Schmidt-Preuß, a.a.O., S. 161.
[55] BVerfGE 79, 174, 198;
Beschluss vom 2.3.1999, NJW 1999, S. 2877 (2879).
[56] BVerfGE 50, 290,
339.
[57] BVerfGE, Beschluss vom
2.3.1999, NJW 1999, S. 2877 (2878); BVerfGE 53, 257, 292 - std. Rspr..
[58] S.o. Abschnitt
IV.
[59] Denninger (Anm.
29), S. 83.
[60] Das Vorliegen eines
rechtlichen Bindungswillens oder Rechtsfolgewillens der Parteien ist - auch
für öffentlich-rechtliche Absprachen - aus der Sicht eines objektiven
Beobachters zu beurteilen, ganz h.M., vgl. nur Joachim Scherer,
Rechtsprobleme normersetzender „Absprachen“ zwischen Staat und
Wirtschaft am Beispiel des Umweltrechts, DÖV 1991, S. 1 (3)
m.w.Nw..
[61] Zu den
ursprünglichen Plänen der Bundesregierung vgl. Denninger (Anm.
29), S. 11 f..
[62] Vgl. nur
Hans-Günter Henneke, in: Hans Joachim Knack (Hrsg.), VwVfG,
Kommentar, 5. Aufl., 1996, § 54, Rdnr. 2
[63] Vgl. zur
Zulässigkeit der sogenannten echten Normsetzungsverträge, die die
Verpflichtung zum Erlaß einer bestimmten Norm zum Gegenstand haben sowie
der unechten Normsetzungsverträge, die eine Rechtsnorm verhindern sollen,
Willy Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und
Absprachen, 1994, S. 148 ff.. Die Diskussion um die Zulässigkeit derartiger
Verträge wurde bis zur Schaffung einer eindeutigen Regelung in § 2
Abs. 3 BauGB i.d.F. von 1997, der derartige Verträge ausdrücklich
verbietet, nahezu ausschließlich in Hinblick auf Normsetzungsverträge
im Bauplanungsrecht geführt, in denen sich eine Gemeinde zum Erlaß
bzw. zur Änderung eines Bebauungsplanes verpflichtet. Vgl. zur
grundsätzlichen Unzulässigkeit derartiger Verträge bereits
BVerwGE 45, 309, 315 ff; ebenso Scherer (Anm. 60) S. 1 (4 f.) m.
zahlreichen Nw.; Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl.,
1999, S. 376 f.. Zur Begründung wurde hauptsächlich angeführt,
dass die vertragliche Verpflichtung zum Normerlaß die im
Rechtssetzungsverfahren vom Normgeber vorzunehmende angemessene Abwägung
behindern würde. In Hinblick auf die Ausübung des
Gesetzesinitiativrechts wird man darauf hinweisen, dass eine vertragliche
Bindung desselben der Funktion der Bundesregierung als politisches
Führungsorgan im Grundsatz widersprechen würde.
[64] Sobald das Kabinett
einen Gesetzentwurf beschlossen hat, beginnt gemäß Art. 76 GG das
förmliche Gesetzgebungsverfahren. Änderungen des Entwurfes seitens der
Bundesregierung sind dann nicht mehr möglich; Jörg Lücke,
in: Michael Sachs, Grundgesetz-Kommentar, 1996, Art. 76, Rdnr.
13.
[65] Vgl. aus der
mittlerweile reichhaltigen Literatur Eberhard Bohne, Informales
Verwaltungs- und Regierungshandeln als Instrumente des Umweltschutzes,
Verwaltungsarchiv 1984, S. 343; Manfred Bulling, Kooperatives
Verwaltungshandeln (Vorverhandlungen, Arrangements, Agreements und
Verträge) in der Verwaltungspraxis, DÖV 1989, S. 277; Meinhard
Schröder, Konsensuale Instrumente des Umweltschutzrechts, NVwZ 1998, S.
100; Philip Kunig, Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und
Privaten, DVBl. 1992, S. 1193; Joachim Burmeister/Walter Krebs,
Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52
(1993), S. 192.
[66] Vgl. die Bsp. bei
Scherer (Anm. 63), S. 1 (2 f.); Kloepfer (Anm. 3), § 5, Rdnr. 206
ff..
[67] Hartmut Bauer,
Informelles Verwaltungshandeln im öffentlichen Wirtschaftsrecht, VerwArch
1987, S. 244.
[68] Josef Schlarmann,
Die Wirtschaft als Partner des Staates, 1972, S. 160.
[69] Kloepfer (Anm.
3), § 5, Rdnr. 211; ausführlich zu den normabwendenden
Selbstverpflichtungen Andreas Helberg, Normabwendende
Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltschutzes, 1998.
[70] Helberg, a.a.O.,
S. 53.
[71] So ist das
Selbstbeschränkungsabkommen der Zigarettenindustrie zum Verzicht auf
Fernsehwerbung aus dem Jahre 1971 im Nachgang zu der Ankündigung des
zuständigen Ministers zustande gekommen, er werde ansonsten ein
gesetzliches Werbeverbot vorsehen. Allerdings setzte sich der Bundestag
über das Selbstbeschränkungsabkommen später hinweg und
erließ ein gesetzliches Werbeverbot; vgl. dazu Janbernd Oebbecke,
Die staatliche Mitwirkung an gesetzesabwendenden Vereinbarungen, DVBl. 1986, S.
793 (793 f.).
[72] Helberg (Anm.
69), S. 57 m. zahlreichen Nw..
[73] Kunig (Anm. 65),
S.1193 (1195).
[74] Winfried Brohm,
Rechtsgrundsätze für normersetzende Absprachen, DÖV 1992, S. 1025
(1029); Kunig (Anm. 65), S. 1193 (1197).
[75] Schröder
(Anm. 65), S. 102; Kunig (Anm. 65), S. 1193 (1996 f.).
[76] Kunig, a.a.O., S.
1193 (1199).
[77] In diesem Sinne
Spannowsky (Anm. 63), S. 450 ff..
[78] Kunig (Anm. 65),
S. 1193 (1199).
[79] Vgl. dazu grundlegend
die „Flachglas-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwGE
45, 309, 315 ff.. betreffend die Bauleitplanung.
[80] Oebbecke (Anm. 71), S.
793 (795).
[81] Errichtet durch Gesetz
vom 9.10.1989, BGBl. 1989 I, S. 1830.
[82] In der Absprache sichert
die Bundesregierung weiter zu, dass sie keine Initiative ergreifen wird, um den
von Recht und Gesetz geforderten Sicherheitsstandard zu ändern. Diese
Zusicherung kann nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Bundesregierung
selbst für den Fall einer wegen bestehender Schutzpflichten für Leib
und Leben der Bürger verfassungsrechtlich gebotenen Verschärfung der
gesetzlichen Vorgaben des Atomgesetzes, d.h. für den Fall des Entstehens
einer Gesetzgebungspflicht, von ihrem Gesetzesinitiativrecht keinen Gebrauch
machen werde; vgl. dazu den Kalkar-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts,
BVerfGE 49, 89, 142. Eine entsprechende - auch politische - Bindung wäre
rechtswidrig.
[83] Grundlegend BVerfGE 49,
89, 157; vgl. dazu Kloepfer (Anm. 3), § 15, Rdnr. 36.
[84] Vgl. den Überblick
über die kontrovers diskutierten Fragestellungen bei Klaus Stern,
Handbuch des Staatsrechts, Bd. III/2 1994, S. 887 ff.; Gerhard Robbers,
Der Grundrechtsverzicht, JuS 1985, S. 925 ff.; Jost Pietzcker, Die
Rechtsfigur des Grundrechtsverzichts, Der Staat 1978, S. 527; Gerd Sturm,
Probleme eines Verzichts auf Grundrechte, in: Gerhard Leibholz/Hans-Joachim
Faller/Paul Mikat/Hans Reis, Menschenwürde und freiheitliche
Rechtsordnung, Festschrift für Willi Geiger, 1974, S. 173 ff..
[85] Günter
Dürig, Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, AöR 81
(1956), S. 117 (152)
[86] Sturm (Anm. 84),
S. 173 (192 ff.).
[87] Vgl. etwa BVerfGE 9,
194, 199 zum Rechtsmittelverzicht; BVerfGE 65, 1, 41 ff. betr. die Einwilligung
in die Weitergabe persönlicher Daten; OVG Bremen, NJW 1980, 606 f.
(Fernmeldegeheimnis - Art. 10 Abs. 1 GG; BVerfGE 21, 200, 206 zur
Unverzichtbarkeit des Wahlgeheimnisses - Art. 38 Abs. 1, 28 Abs. 2 Satz 2 GG);
BGH, JZ 1972, 559 - Unwirksamkeit eines Verzichts auf Freizügigkeit (Art.
11 Abs. 1 GG) in einer Scheidungsvereinbarung.
[88] Robbers (Anm.
84), S. 925 (927 f.); Bodo Pieroth/Bernhard Schlink, Grundrechte,
Staatsrecht II, 14. Aufl., 1998, § 5, Rdnr. 137 ff.; Pietzcker (Anm.
84), S. 527 (542 ff., besonders deutlich S. 551).
[89] Vgl. nur Stern
(Anm. 84), S. 887 (912 ff.).
[90] In diesem Sinne
Pieroth/Schlink (Anm. 88), § 5, Rdnr. 141.
[91] In diesem Sinne
Stern (Anm. 84), S. 887 (918).
[92] An der Vereinbarung
bislang nicht beteiligt sind die Hanseatischen Elektrizitätswerke (HEW AG),
so dass aus diesem Gesichtspunkt eine vollumfängliche Prüfung des
novellierten Atomgesetzes am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG stattfinden
müßte.
[93] Zu den prozessualen
Folgen des Grundrechtsverzichts vgl. auch Sturm (Anm. 82), S. 173
(187).
[94] Robbers (Anm.
84), S. 925 (929).
[95] Denninger,
a.a.O., S. 15 ff.; BVerfGE 33, 125, 158.
[96] BVerfGE 49, 89,
127.
[97] Das Vorliegen eines
Rechtsmittelverzichts scheitert nicht bereits daran, dass nach der hier
vertretenen Auffassung (vgl. o. Abschnitt V.) die in der Absprache konzipierten
Regelungen betreffend die Modalitäten des Atomausstiegs mit der Verfassung
in Einklang stehen, also ein etwaiges Rechtsmittel gegen das Gesetz oder die auf
seiner Grundlage ergangenen Umsetzungsmaßnahmen keine Aussicht auf Erfolg
hätte. Dieser Auffassung wird in der Literatur heftig widersprochen:
Teilweise wird der Entzug einer zunächst unbefristet erteilten Genehmigung
als entschädigungspflichtige Enteignung qualifiziert mit der Folge, dass
eine Entschädigung entsprechend den Vorgaben des Art. 14 Abs. 3 GG
fällig würde, die wiederum jeweils in Hinblick auf die technische
Laufzeit des betroffenen Kernkraftwerks zu bemessen wäre, vgl.
Schmidt-Preuß (Anm. 32), S. 155 ff., 162 ff.; Ossenbühl
(Anm. 32), S. 1 (9 ff., 29). Nach dieser Ansicht müßte eine
Novellierung des Atomgesetzes, die entgegen der Junktimklausel in Art. 14 Abs. 3
GG eine entsprechende Entschädigungspflicht nicht vorsieht, für
verfassungswidrig gehalten werden.
[98] Robbers (Anm. 84), S.
925 (926).
[99] BVerfGE 24, 33, 49
ff.; 45, 297, 334; 75, 108, 165; Hans D. Jarass/Bodo Pieroth,
Grundgesetz. Kommentar, 3, Aufl., 1995, Art. 19, Rdnr. 24 m.w.Nw..
[100] Eberhard
Schmidt-Aßmann, in: Theodor Maunz/Günter Dürig,
Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 19 Abs. 4 (1985), Rdnr. 93 ff.,
95.
[101]
Pieroth/Schlink (Anm. 88), § 5, Rdnr. 140; BVerfGE 9, 194, 199; vgl.
auch Helmut Quaritsch, Der Verzicht im Verwaltungsrecht und auf
Grundrechte, in: Peter Selmer/Ingo von Münch (Hrsg.),
Gedächtnisschrift für Wolfgang Martens, 1987, S. 407 (413
f.).
[102] Quaritsch, a.a.O., S.
407 (414.).
[103] Insoweit könnte
auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die
Wirksamkeit von öffentlich-rechtlichen Verträgen gemäß
§§ 54 ff. VwVfG gelten. Zwar führen gemäß § 59
Abs. 1 VwVfG nur bestimmte, qualifizierte Gesetzesverstöße zur
Nichtigkeit des Vertrages. In den Fällen aber, in denen ein Vertragsschluss
infolge der Ausnutzung der staatlichen Übermacht einer einseitigen
hoheitlichen Regelung gleichkommt, scheint nach zutreffender Ansicht die
Nichtigkeitsfolge und zwar unter Rückgriff auf § 134 BGB i.V.m. der
betroffenen grundrechtlichen Gewährleistung als Verbotsgesetz angemessen;
in diesem Sinne Arno Scherzberg, Grundfragen des verwaltungsrechtlichen
Vertrages, JuS 1992, S. 205 (212 ff., 214).
[104] Quaritsch
(Anm. 101), S. 407 (413); Albert Bleckmann, Staatsrecht II - Die
Grundrechte, 3. Aufl., 1989, S. 404.
[105] Vgl. hierzu im
einzelnen oben IV..
[106] Zu den
Eingriffsmöglichkeiten nach dem Atomgesetz vgl. oben Abschnitt
IV..
[107] Vgl. Hans-Ulrich
Evers, Die verfassungsrechtlichen Bindungen fiskalischer und
schlichthoheitlicher Maßnahmen in der Praxis, NJW 1961, S. 289 (290): Die
Exekutive schafft und nutzt Lagen aus, in denen der Prozeß der
Willensbildung erheblich gestört ist.“
[108] Stern (Anm.
84), S. 886 (892); Maurer (Anm. 63), S. 376
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