Die Aktiengesellschaft als die wirtschaftlich bedeutendste, auf moderne industrielle Großunternehmen zugeschnittene Gesellschaftsrechtsform ist durch Arbeitsteilung, Spezialisierung und Risikostreuung gekennzeichnet. Dabei fällt es den Aktionären oft schon aufgrund ihrer Vielzahl schwer, die unternehmerischen Entscheidungen des Vorstands selbst angemessen und wirksam zu kontrollieren. In Deutschland wurde deshalb schon im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1870 gesetzlich ein obligatorischer Aufsichtsrat festgelegt, der auch bei der Überführung des aktienrechtlichen Regelungsprogramme in das Sondergesetz Aktiengesetz von 1937 beibehalten wurde und alle Novellierungen und Reformen überstanden hat. In unserem so genannten dualistischen System ist der Aufsichtsrat dem Vorstand als Kontrollorgan übergeordnet, um dafür zu sorgen, dass der Vorstand den Interessen des Unternehmens entsprechend handelt. Sind allerdings die Aktionäre nicht selbst im Aufsichtsrat vertreten - und der Aufsichtsrat muss sich nicht zwingend aus Aktionären zusammensetzen - oder verfolgen die Aufsichtsratsmitglieder - als Aktionäre oder als „Externe“ - auch andere Interessen als die des zu beaufsichtigenden Unternehmens, kann sich ein Konfliktpotential entfalten und sich die Frage stellen, ob eine unabhängige Entscheidungsfindung des Aufsichtsrats und eine effektive Kontrolle des Vorstands überhaupt gewährleistet ist.
So ist es durchaus denkbar, dass eine Person in mehreren Aufsichtsräten von sogar miteinander konkurrierenden Unternehmen Aufsichtsratsmitglied ist oder dass ein Aufsichtsratsmitglied in einem Konkurrenzunternehmen eine geschäftsleitende Organfunktion ausübt, der Mandatsträger also bei der Beratung und Beschlussfassung über strategische Maßnahmen der AG ein besonderes Wissen erlangt, dass er im Konkurrenzunternehmen verwerten kann. Das Aufsichtsratsmitglied einer AG kann auch der Geschäftsleitung einer Bank angehören, die an der Kreditfinanzierung von Projekten der AG beteiligt ist. Aufsichtsratsmitglieder können auch hoheitliche Funktionsträger sein, etwa der Landesregierung oder einer kommunalen Gebietskörperschaft angehören und damit Sonderinteressen verfolgen. Ganz üblich ist es, dass ein ausscheidendes Vorstandsmitglied in den Aufsichtsrat wechselt, u.U. sogar den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt, womit etwa die Gefahr verbunden sein kann, dass das frühere Vorstandsmitglied als Kontrolleur die Fehler der Vergangenheit zu vertuschen versucht oder einen Strategiewechsel des neuen Vorstands verzögert oder gar verhindert.
Zur
Unser
Aktiengesetz kennt bis heute nur wenige Regelungen, die mögliche
Interessenkonflikte einzudämmen versuchen. So bestimmt § 100 Abs. 1 S. 1 AktG, dass eine Person nicht in mehr als zehn
obligatorischen Aufsichtsräten Mitglied sein darf, wobei
Aufsichtsratsvorsitze nach Satz 3 dieser Vorschrift doppelt zählen.
In § 105 AktG finden sich einige Sonderfälle der
Unvereinbarkeit (Inkompatibilität) vor allem von Aufsichtsrats-
und Vorstandsmandat geregelt. Eine allgemeine
Inkompatibilitätsregelung zur Vermeidung von
Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern kennt das AktG
jedoch nicht. In der Tat: Die Rechtsfragen der Zulässigkeit und
der Konsequenzen von Aufsichtsratsmandaten bei Interessenkonflikten
bilden kein traditionsreiches Thema im deutschen Aktienrecht, sondern
sind erst in den letzten zehn, fünfzehn Jahren in eine -
allerdings heftige - so genannte Corporate Governance-Diskussion
geraten, bei der es um die Optimierung der Handlungs- und
Haftungsverfassung der AG im Rahmen einer Selbstregulierung der
Wirtschaft geht. Deren Hintergrund lässt sich wie folgt
skizzieren: Die für das deutsche Aufsichtsratsmodell
idealtypische Trennung von Führungs- und Kontrollaufgaben hatte
lange Zeit hierzulande - anders als in anglo-amerikanischen Ländern
(aber auch etwa in der Schweiz) mit einstufiger Führungsstruktur
- die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern kaum als
problematisch erscheinen lassen. Denn eben durch besagte Trennung
konnte vermeintlich als prinzipiell gewährleistet angesehen
werden, dass Aufsichtsratsmitglieder die Unternehmensführung
ohne Interessenkonflikte überwachen können. Dies hat sich
indes empirisch nicht bestätigt. Einige spektakuläre
Unternehmenskrisen oder gar Unternehmenszusammenbrüche in der
deutschen Wirtschaft (Stichworte: Philipp Holzmann AG oder Schneider
AG) haben die Frage nach ihrer Vermeidbarkeit bei einer effektiveren
Kontrolle seitens des Aufsichtsrats aufgeworfen. Ungeachtet seiner
herausragenden Rolle im Rahmen der in den neunziger Jahren
einsetzenden Corporate Governance-Diskussion hat das Grundsatzproblem
der rechtlichen Behandlung von Interessenkonflikten bei
Aufsichtsratsmitgliedern indes bis heute keine Antwort durch den
Gesetzgeber gefunden. Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im
Unternehmensbereich (KonTraG) von 1998 hat zwar eine Reform des
Systems der Unternehmensführung und –kontrolle in Deutschland
in Gang gesetzt, die durch das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien-
und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG) von
2002 und durch das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)
von gleichfalls 2002 fortgeführt wurde. Indes hat der
Gesetzgeber eine Regelung des Problems widerstreitender Interessen
von Aufsichtsratsmitgliedern ausgespart.
Wohl aber hat sich der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) schon in seiner ersten Fassung vom 26.2.2002, vor allem aber in seiner heute geltenden Fassung vom 12.6.2006 der Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern angenommen. Hiervon wird sogleich zu berichten sein. Unter diesem Eindruck haben sich im Schrifttum der letzten Jahre dogmatische Konturen zur Problemlösung herauskristallisiert, die eine klare Tendenz erkennen lassen, Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern mit abnehmender Toleranz und mit zunehmenden Sanktionen zu begegnen. In der Tat werden solche Interessenkonflikte immer stärker im Lichte eines besonderen Unabhängigkeitspostulats für Aufsichtsratsmitglieder betrachtet, das in der Form, in der es heute im Rahmen der Corporate Governance-Diskussion aufgestellt wird, früher unbekannt war.1
Diese Entwicklung ist in einen europäischen, unionsweiten Trend eingebettet. Spätestens seit dem Aktionsplan der Europäischen Kommission zur „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“ vom 21.5.20032, der Empfehlung der Europäischen Kommission zu den „Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats“ vom 15.2.20053 und der entsprechenden Empfehlung in der Neufassung des DCGK vom Juni 2005 (die in die derzeitige Neufassung vom Juni 2006 übernommen wurde) ist die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern zu einem beherrschenden Thema der Corporate Governance-Diskussion auch in unseren europäischen Mitgliedsländern geworden.4 Dabei werden offenbar die Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder in Deutschland immer höher geschraubt. In neueren Diskussionsbeiträgen, für die etwa das Thesenpapier des „Roundtable des Berlin Center of Corporate Governance (BCCG)“ charakteristisch ist,5 wird besonders herausgestellt, dass die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder verhindern soll, dass sie „in Versuchung oder unter Druck geraten, durch unangemessene Rücksichtnahmen auf Eigen- oder Fremdinteressen das übergeordnete Unternehmenswohl aus dem Auge zu verlieren bzw. zu verletzen“. Der „Interessenunabhängigkeit“ wird dabei ein besonderer Stellenwert zuerkannt. Für interessenabhängige Aufsichtsratsmitglieder, die etwa aufgrund ihrer Verbindung zu bestimmten Bezugsgruppen des Unternehmens nicht nur in „kasuistische“, sondern in „systematische Rollenkonflikte“ geraten, wird - jedenfalls ab einer gewissen „Wesentlichkeitsschwelle“ - eine „Niederlegung oder Entziehung des Mandats“ angeregt. „Wesentliche Interessenabhängigkeiten“ müssten „grundsätzlich vermieden werden“.
Gewiss, viele der Diskussionsbeiträge verstehen sich als Empfehlungen oder Vorschläge de lege ferenda und dürfen nicht mit dem heute geltenden Recht verwechselt oder vermischt werden. Sie legen aber auch Zeugnis von einem bereits de lege lata bedeutsamen Wandel des Verständnisses der Funktionen und Verantwortlichkeiten von Aufsichtsratsmitgliedern ab. Schon ist von der „unmittelbaren Bedeutung des Unabhängigkeitspostulats“ gesprochen worden, zumal durch die Empfehlungen des DCGK „zwar keine Rechtsnormen, aber Fakten“ geschaffen werden.6 Hinzukommt, dass die stark an Boden gewinnende Shareholder Value-Doktrin die Bestimmung des Unternehmensinteresses verschiebt, wenn danach das Aktionärsinteresse verstärkt in den Mittelpunkt gestellt wird.7
ZurSeit jeher bestand freilich unangefochtene Einigkeit darüber, dass Aufsichtsratsmitglieder bei ihren Beratungs- und Überwachungsaufgaben im - konzernrechtlich unabhängigen - Unternehmen grundsätzlich allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind, so wie dieses vom Vorstand des Unternehmens definiert wird.8 Aufsichtsratsmitglieder dürfen sich nicht als Vertreter bestimmter - unternehmensinterner oder –externer - Interessenträger gerieren. Eine Reduzierung des Unternehmensinteresses auf das Interesse der Gruppe, dem das jeweilige Aufsichtsratsmitglied entstammt, ist nicht zulässig. Das Aufsichtsratsmitglied muss auch Interessen eines anderen Unternehmens, in dessen Verwaltungsorgan es einen Sitz hat oder dem es in sonstiger Weise verbunden ist, dem Interessen des beaufsichtigten Unternehmens unterordnen.9 Einigkeit bestand aber auch immer darüber, dass Aufsichtsratsmitglieder als Personen in zahlreiche Interessengeflechte eingebunden sein können, etwa zu Kunden, Lieferanten, Beratern oder Kreditgebern des Unternehmens, die sie bei ihrer Aufsichtsratstätigkeit nicht schlechthin ignorieren können. Aufsichtsratsmitglieder haben vielfach aufgrund ihrer sonstigen Tätigkeiten auch andere Interessen wahrzunehmen, die dem Unternehmensinteresse widerstreiten können.
Wenn das AktG Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern keiner ausdrücklichen allgemeinen Regelung zugeführt hat und die speziellen Inkompatibilitätsvorschriften für Aufsichtsratsmitglieder in den §§ 100 und 105 AktG nur einige Sonderkonstellationen betreffen, dann kann man aus der systematischen Betrachtung dieser und anderer Regelungen eine gewisse Duldsamkeit des AktG gegenüber Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern ersehen. Man hat von einer „Konflikttoleranz“ gesprochen10, die offenbar von dem Vorstellungsbild des Gesetzgebers getragen ist, Aufsichtsratsmitglieder könnten alles in allem mit Interessenkonflikten „fertig werden“ und wüssten ihre unterschiedlichen Verantwortungsbereiche und Pflichtensphären zu trennen. In der Literatur ist hierzu das Bild von unterschiedlichen „Hüten“ eines Aufsichtsratsmitglieds bemüht und damit veranschaulicht worden, das Gesetz nehme es im Grundsatz hin bzw. verlange sogar von einem Aufsichtsratsmitglied, dass er mal diesen, mal jenen „Hut“ aufsetze bzw. an der Garderobe abgebe.11
Diese gesetzliche Konflikttoleranz kommt vor allem im nebenamtlichen bzw. nebenberuflich ausgestalteten Charakter des Aufsichtsratsmandats zum Ausdruck, duldet das Gesetz doch damit zugleich nicht übereinstimmende Interessenlagen von Haupt- und Nebentätigkeiten.12 Auch werden Interessenkonflikte von unternehmens- und gewerkschaftsangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern ausweislich der Mitbestimmungsvorschriften toleriert.13 Ferner hat das AktG Interessenkonflikte in Kauf genommen, indem es, wiewohl in quantitativen Grenzen, die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Aufsichtsräten erlaubt. Dabei findet sich kein ausdrückliches Verbot der gleichzeitigen Mitgliedschaft in den Aufsichtsräten von in Wettbewerb stehenden Unternehmen. Ein solches Verbot war zwar bei den Vorarbeiten zum KonTraG erwogen worden, fand aber in das Gesetz schließlich doch keinen Eingang.14
ZurIn der aktienrechtlichen Literatur im Vorfeld und im Zuge der jüngeren Corporate Governance-Diskussion fehlt es nicht an Bemühungen, die Grenzen der aktiengesetzlichen Konflikttoleranz zu ermitteln und eine gestufte Problembehandlung für verschiedene Formen und Intensitätsgrade von Interessenkonflikten zu entwickeln. Es besteht dabei kein Zweifel, dass es Erscheinungsformen von Interessenkonflikten jenseits der Toleranzgrenze gibt, bei denen das vorrangige Interesse des zu beaufsichtigenden Unternehmens gefährdet oder gar beeinträchtigt ist und Maßnahmen zur Wahrung des Unternehmensinteresses und zur Einschränkung des Schutzes der rechtlichen Stellung des Aufsichtsratsmitglieds unerlässlich erscheinen. In verschiedenartiger Weise und mit manchen Zwischenstufen und Grauzonen wird dabei im Schrifttum zwischen unterschiedlichen „Konfliktintensitäten“, insbesondere zwischen „schwachen“ Interessenkollisionen oder bloßen „Interessengegensätzen“ und „schwerwiegenden“ oder „echten“ Interessenkonflikten bei sich unvereinbar gegenüberstehenden Rechtspflichten aufgrund unterschiedlicher Tätigkeiten differenziert.15 Die Grenzziehung zwischen tolerablen und sanktionsbedürftigen Interessenkonflikten wird dabei im Ergebnis unterschiedlich vorgenommen; eine ausdifferenzierte und allgemein konsentierte Dogmatik hierzu hat sich noch nicht ausgeformt, scheint sich aber doch allmählich anzubahnen.
Innerhalb der sanktionsbedürftigen, „schwerwiegenden“ Interessenkonflikte, bei denen es unumgänglich erscheint, die Kompetenzen des Aufsichtsratsmitglieds zumindest einzuschränken, durchzieht das Schrifttum eine Differenzierung zwischen „vorübergehenden“ Interessenkonflikten oder „Interessenkonflikten im Einzelfall“ einerseits und „dauerhaften“ oder „nachhaltigen Interessenkonflikten“. Interessenkonflikte im Einzelfall erwachsen etwa aus einem persönlichen Interesse eines Aufsichtsratsmitglieds im Zusammenhang mit einem Beschluss des Aufsichtsrats über ein konkretes Geschäft, während dauerhafte Interessenkonflikte sich etwa aus Sonderbeziehungen des Aufsichtsratsmitglieds als Kunde, Lieferant oder Kreditgeber des Unternehmens ergeben können. Ferner wird danach unterschieden, ob Interessenkonflikte schon bei Beginn der Aufsichtsratstätigkeit (originäre Konflikte) oder erst im Laufe der Mandatsausübung (subsequente Konflikte) zutage treten. Hieran werden sodann unterschiedliche Sanktionen geknüpft, wie etwa Stimmverbote, Ausschluss vom Informationsfluss, Verbot der Teilnahme an „kritischen“ Aufsichtsratssitzungen, Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses oder gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund.
Die Rechtsprechung hat sich in einigen schon älteren Entscheidungen bisher nur zu bestimmten Einzelfragen der Sanktionierung von Interessenkonflikten bei Aufsichtsratsmitgliedern geäußert.16 Der Bundesgerichtshof hat vor mehr als 25 Jahren betont, dass das Aufsichtsratsmitglied, ungeachtet des nebenamtlichen Charakters des Mandats, eigene persönliche Interessen sowie die Interessen eines anderen Unternehmens, in dessen Verwaltungsorgan das Aufsichtsratsmitglied einen Sitz hat, immer dem Interessen des beaufsichtigten Unternehmens unterzuordnen hat, wobei ein „Pflichtverstoß in einem Amt … nicht mit einer korrespondierenden Pflichterfüllung in einem anderen Amt zu rechtfertigen (ist)“. Ferner heißt es dort: „Die Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten in solche Verhaltensweisen, die nur dem einen, nicht aber zugleich dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden könnten, ist, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen sind, nicht möglich.“17
ZurInnerhalb des skizzierten Meinungsspektrums der Differenzierungsansätze zu Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern lässt sich jedenfalls im neueren Schrifttum eine ganz überwiegende Meinung ausmachen, wonach die Organmitgliedschaft eines Aufsichtsratsmitglieds in einem Konkurrenzunternehmen des beaufsichtigten Unternehmens einen schwerwiegenden und dauerhaften (oder „wesentlichen“ bzw. „sanktionsbedürftigen“) Interessenkonflikt begründen und einen Sanktions- oder gar Inkompatibilitätsgrund darstellen kann – freilich nicht: muss. Paradigmatisch für zahlreiche Literaturstimmen18 ist hierzu die Formulierung von Semler/Stengel; gravierende dauernde Interessenwiderstreite, die jenseits der Toleranzgrenze liegen und im Interesse des Unternehmens Sanktionen verlangen, „können insbesondere bei Wettbewerbsverhältnissen entstehen, also wenn das Aufsichtsratsmitglied dem geschäftsleitenden Organ oder Aufsichtsrat eines Konkurrenzunternehmens angehört.“19 Gewiss finden sich auch zurückhaltendere, restriktive Äußerungen im Schrifttum, vor allem aus der Zeit vor Einsetzen der deutschen Corporate Governance-Diskussion.20 Diese Stimmen wenden sich gegen jede Einführung eines „Wettbewerbsverbots“ für Aufsichtsratsmitglieder und gegen jede Ausdehnung der bestehenden gesetzlichen Inkompatibilitätsvorschriften. Indes darf man es als herrschende Meinung in zunehmender Tendenz ansehen, dass bei einer Organmitgliedschaft in Konkurrenzunternehmen die eigenen Interessen des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds im Verhältnis zum Interesse des beaufsichtigten Unternehmens von erheblichem Gewicht sein können, jenseits der Toleranzgrenze liegen und „rechtliche Folgen nach sich ziehen müssen, die über den Einzelfall hinausgehen“.21
Dem steht nicht etwa entgegen, dass § 88 AktG, der ein Konkurrenzverbot für Vorstandsmitglieder begründet, nicht für Aufsichtsratsmitglieder gilt und dass das Konkurrenzverbot des § 88 AktG nach § 105 Abs. 2 S. 4 AktG sogar für in den Vorstand entsandte Aufsichtsratsmitglieder unanwendbar ist.22 In diesen Regelungen kommt lediglich zum Ausdruck, dass das AktG seine grundsätzliche Konflikttoleranz auch auf eine Konkurrenztätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern ausdehnt und damit eine Organmitgliedschaft in Konkurrenzunternehmen zum beaufsichtigten Unternehmen nicht schon einen zwingenden Inkompatibilitätsgrund konstituiert. In der Tat steht außer Frage, dass das Gesetz selbst im Bereich von Interessenkonflikten bei Wettbewerbsverhältnissen noch eine gewisse Konflikttoleranz zeigt.23 Indes darf man aus den genannten Regelungen keineswegs ableiten, dass eine Konkurrenztätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern grenzenlos zulässig bzw. eine Inkompatibilität oder sonstige Sanktionierung von Aufsichtsratsmandaten und konkurrierenden Organfunktionen unbegründbar sei.24 Nahe liegend ist vielmehr der Gedanke, dass das AktG die Interessenkonflikte, die sich für Aufsichtsratsmitglieder aus Organmitgliedschaften oder Leitungsfunktionen in konkurrierenden Unternehmen ergeben können, überhaupt nicht bedacht hat.25
Allerdings hat der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren des KonTraG von 1998 dieses Problem erkannt und von einer Regelung abgesehen.26 In der vorgängigen Reformdebatte war die Thematik namentlich der Doppel- bzw. Mehrfachmandate bei Konkurrenzunternehmen aufgebracht worden und hatte zunächst zum Vorschlag eines ausdrücklichen gesetzlichen Verbots geführt.27 Es geriet dann aber in Streit, ob eine Verbots- oder eine Untersagungslösung (behördliches Verbot) vorzugswürdig sei.28 Zudem ließ sich kein griffiger Tatbestand für eine rechtssichere Anwendung der Unvereinbarkeit von Aufsichtsratsmandaten in Konkurrenzunternehmen formulieren, zumal die relevante Wettbewerbstätigkeit konzernweit bestimmt werden sollte.29 Schließlich wurde von einer expliziten gesetzlichen Regelung der Tätigkeit in konkurrierenden Unternehmen abgesehen.30
Auch hierdurch darf man sich aber nicht veranlasst fühlen, Aufsichtsratsmitgliedern einen „Blankoscheck“ für konkurrierende Tätigkeiten mit der Folge von Interessenkonflikten auszustellen. Vielmehr ist das ausdrückliche gesetzgeberische Absehen von einer hierfür einschlägigen Spezialregelung als Auftrag an Rechtswissenschaft, Rechtsprechung und wohl auch an die damals schon geplante Regierungskommission Corporate Governance zu verstehen, sich um konkretisierende Beurteilungsmaßstäbe zur Identifizierung von intolerablen und sanktionsbedürftigen Interessenkonflikten bei einer Organmitgliedschaft von Aufsichtsratsmitgliedern in Konkurrenzunternehmen zu bemühen. Es sei in Erinnerung gerufen, dass vor dem Einsetzen der Corporate Governance Diskussion in Deutschland eine sehr ernste rechtspolitische Diskussion über die Einführung eines „Wettbewerbsverbots für Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft“ eingesetzt hatte.31 Nur der Vollständigkeit halber: Zu keiner anderen Bewertung der Lage kann der Umstand führen, dass das Gesetz bei den Arbeitnehmervertretern die Berücksichtigung anderer Interessen und die „natürlichen“ Interessenkonflikte zwischen Kapital und Arbeit in Kauf nimmt, denn hierbei geht es um Ausnahmetatbestände, die speziell der Stärkung der Arbeitnehmerinteressen dienen sollen.32
ZurAn dieser Stelle kommt der DCGK ins Blickfeld, der sich - anders als der deutsche Aktiengesetzgeber - schon in seiner ersten Fassung vom 26.2.2002 in Ziff. 5 der Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern besonders angenommen hat. Von Anfang an hatte die Regierungskommission Corporate Governance eine besondere ausdrückliche Bestimmung vorgeschlagen, wonach Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Aktiengesellschaften keine Mandate in anderen Unternehmen wahrnehmen dürfen, die zur Gesellschaft in (wesentlichem) Wettbewerb stehen.33 Gleichwohl war es in der ursprünglichen Fassung des DCGK vom 26.2.2002 nicht zur Einarbeitung eines solchen Vorschlags zur Ausschaltung von Interessengegensätzen gekommen. Gleich nach der Verabschiedung der Erstfassung des DCGK setzten indes Überarbeitungen und Revisionen ein, in denen die Frage der weiteren Absicherung der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern eines der zentralen Themen bildete.34 Die „Kodexkommission“ (Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex), die als standing commission nach dem Auftrag des Bundesministeriums der Justiz mit der jährlichen Überprüfung und Anpassung des DCGK befasst ist, hat denn auch ihre Empfehlungen zum Thema Unabhängigkeit in der heute geltenden Fassung vom 12.6.2006 wesentlich ergänzt und erweitert.
In dem eigenständigen Abschnitt Ziff. 5.5 „Interessenkonflikte“ heißt es:
5.5.1 Jedes Mitglied des Aufsichtsrats ist dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Es darf bei seinen Entscheidungen weder persönliche Interessen verfolgen noch Geschäftschancen, die dem Unternehmen zustehen, für sich nutzen.
5.5.2. Jedes Aufsichtsratsmitglied soll Interessenkonflikte, insbesondere solche, die auf Grund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können, dem Aufsichtsrat gegenüber offen legen.
5.5.3 Der Aufsichtsrat soll in seinem Bericht an die Hauptversammlung über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informieren. Wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds sollen zur Beendigung des Mandats führen.
Es fällt zwar auf, dass in Ziff. 5.5.2 bei der regelbeispielhaften Kennzeichnung von offenlegungsbedürftigen „Interessenkonflikten“ solche genannt werden, „die auf Grund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können“, während die parallele Organfunktion bei Wettbewerbern ausgespart ist. Dies darf indes nicht verfangen. Ohne weiteres sieht der DCGK – wie sich aus einem argumentum a minore ad maius ergibt - die Organmitgliedschaft in Konkurrenzunternehmen „erst recht“ als Quelle von „wesentliche(n) und nicht nur vorübergehende(n) Interessenkonflikt(en) in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds an. Denn für den DCGK ist die parallele Organfunktion eines Aufsichtsratsmitglieds in konkurrierenden Unternehmen nicht allein eine Offenlegungsfrage, sondern bereits eine Zulässigkeitsfrage. Unter der Überschrift der Ziff. 5.4 „Zusammensetzung und Vergütung“ des Aufsichtsrats heißt es nämlich in Ziff. 5.4.2 in den Sätzen 2 und 4:
5.4.2 … Ein Aufsichtsratsmitglied ist als unabhängig anzusehen, wenn es in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand steht, die einen Interessenkonflikt begründen. … Aufsichtsratsmitglieder sollen keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben.
Diese Regelung ist im Lichte der Präambel unter Ziff. 1 a.E. zu verstehen:
„Empfehlungen des Kodex sind im Text durch die Verwendung des Wortes „soll“ gekennzeichnet. Die Gesellschaften können hiervon abweichen, sind dann aber verpflichtet, dies jährlich offen zu legen. Dies ermöglicht den Gesellschaften die Berücksichtigung branchen- oder unternehmensspezifischer Bedürfnisse.“
Gewiss, unmittelbare rechtliche Verpflichtungswirkung entfaltet der DCGK im hier zu beurteilenden Fall weder für Aufsichtsratsmitglieder noch für Vorstände der beteiligten Unternehmen. Der Kodex hat bloßen Empfehlungscharakter und gehört rechtsquellentheoretisch der „soft law“-Ebene an35; er richtet sich in erster Linie an börsennotierte Gesellschaften, wobei die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG noch Spielraum für Einschränkungen lässt. Indes wird nach der Präambel „auch nicht börsennotierten Gesellschaften … die Beachtung des Kodex empfohlen“.36 Es ist aber nicht zu verkennen, dass der Kodex in deutschen Wirtschaftskreisen schnell eine weite Akzeptanz gefunden hat, die zwar noch nicht für die strengen Kriterien der Rechtsquelle „Gewohnheitsrecht“ ausreicht - dafür ist schon die Zeit zu kurz und sind die Änderungen der verschiedenen Fassungen zu zahlreich und zu häufig -, wohl aber kann man jedenfalls hinsichtlich der tragenden Grundgedanken des DCGK von einer „kaufmännischen Übung“ und damit von einem Handelsbrauch i.S. des § 346 HGB sprechen. Insoweit ähnelt die Lage der normativen Wirkungskraft und der Anerkennung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB).37 Der DCGK ist längst mehr als ein „Wohlverhaltenskodex“.38 Die jüngste Studie zur Akzeptanz des DCGK39 belegt, dass dessen Empfehlungen und Anregungen „inzwischen einen festen Platz in der deutschen Unternehmenskultur gefunden“ haben.40 Zu den tragenden Grundgedanken des DCGK gehört die kräftige Stärkung der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder. Jedenfalls dieser Grundgedanke hat sich auch unter börsennotierten Unternehmen schnell und nachhaltig in Ergänzung zum positiven Recht des AktG aufgrund der Corporate Governance Diskussion durchgesetzt, so dass der Rechtsanwender hierauf bei der Auslegung des Gesetzes als Handelsbrauch i.S. des § 346 HGB „Rücksicht zu nehmen“ hat. Nicht zufällig wird deshalb in der Literatur bereits von einer „unmittelbaren Bedeutung des Unabhängigkeitspostulats“ gesprochen, nachdem durch die Empfehlungen des DCGK „zwar keine Rechtsnormen, aber Fakten“ geschaffen werden.41
Aus den vorstehend zitierten Passagen des DCGK lässt sich der Befund ableiten, dass der DCGK die parallele Organfunktion eines Aufsichtsratsmitglieds bei wesentlichen Wettbewerbern erstens für unbedingt offenlegungsbedürftig, zweitens für eine mögliche Quelle wesentlicher und nicht nur vorübergehender Interessenkonflikte und drittens für einen möglichen Mandatsbeendigungsgrund hält. In diesem Licht verwundert es keineswegs, dass das neuere aktienrechtliche Schrifttum mit zunehmender Tendenz davon ausgeht, dass die Organmitgliedschaft eines Aufsichtsratsmitglieds in einem Konkurrenzunternehmen des beaufsichtigten Unternehmens einen schwerwiegenden und dauerhaften (oder „wesentlichen“ bzw. „sanktionsbedürftigen“) Interessenkonflikt begründen und einen Sanktions- oder gar Inkompatibilitätsgrund darstellen kann.
ZurFreilich bedarf es eines konkreten Beurteilungsmaßstabs, um festzustellen, wann die Organmitgliedschaft eines Aufsichtsratsmitglieds in einem Konkurrenzunternehmen einen intolerablen und sanktionsbedürftigen, schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikt definitiv begründet. Zahlreiche frühere Versuche einer solchen Konkretisierung im Schrifttum42 ranken um die Ermittlung der ratio legis der aktiengesetzlichen Inkompatibilitätsregelungen in den §§ 100 Abs. 2 und 105 AktG, um deren analoge Anwendung „in ähnlichen Fällen“ zu begründen, bleiben aber unbefriedigend und lassen den Rechtsanwender im Ergebnis hilflos. Danach soll die Schwelle zur Sanktionsbedürftigkeit etwa erreicht sein, wenn das Aufsichtsratsmitglied aufgrund der Konkurrenzsituation nicht mehr in der Lage ist, die vom Gesetz geforderten Aufgaben zu erfüllen43 oder wenn „sich aus dem unterschiedlichen Tätigkeitsbezug unvereinbar gegenüberstehende Rechtspflichten“44 ergeben und eine anderweitig nicht lösbare Pflichtenkollision für das Aufsichtsratsmitglied vorliegt.45 Eine operationale Konkretisierungsformel für die Wettbewerbsfälle ist erst im neueren Schrifttum unter dem Eindruck der jüngeren Corporate Governance-Diskussion entwickelt worden. Es ist dies die vor allem von Semler entwickelte Formel vom „sensiblen Wissen im Kerngeschäftsfeld“.46
„Sensibles Wissen“ bezeichnet die Situation, „dass ein Mandatsträger in den Aufsichtsräten zweier Wettbewerber bei Beschlussfassung etwa über eine strategische Maßnahme über das Wissen verfügt, wie der Wettbewerber in diesem Punkt vorgehen wird.“47 Auch andere Fälle der „Organverknüpfung“, die einer „Doppelzugehörigkeit“ zu den beiden Aufsichtsräten der Wettbewerber entsprechen, können zu „sensiblem Wissen“ führen.48 Denn „sensibles Wissen“ entsteht dadurch, dass ein Aufsichtsratsmitglied aufgrund seiner parallelen Organstellung in einem konkurrierenden Unternehmen „regelmäßig Informationen von zwei verschiedenen, zumindest auf einem Kerngeschäftsfeld in Wettbewerb stehenden Unternehmen erhält – sofern hiergegen keine Maßnahmen ergriffen werden“.49 Dabei ist ein „Kerngeschäftsfeld“ dadurch gekennzeichnet, dass es die „dauerhafte wesentliche Grundlage der Geschäftstätigkeit des Unternehmens (bestimmt), deren Wegfall das Unternehmen in seiner Grundstruktur verändert würde“.50 Das „Kerngeschäftsfeld“ geht über eine bloß „relevante Wettbewerbstätigkeit“ in einem „relevanten Geschäftszweig“51 und über eine Wettbewerbssituation zwischen den Unternehmen nur in Randbereichen“52, an die sich noch keine Inkompatibilität anknüpfen ließe, durch das „Wesentlichkeitserfordernis“ hinaus. Ein Kerngeschäftsfeld meint einen „zentralen Tätigkeitsbereich“ der konkurrierenden Unternehmen.53 Mit dem Hinweis auf ein „Kerngeschäftsfeld“ ist zugleich das Erfordernis „wesentlichen Wettbewerbs“ abgedeckt, das ausdrücklich in der Inkompatibilitätsregelung der Ziff. 5.4.2 Satz 4 des DCGK zum Ausdruck kommt, wonach „Aufsichtsratsmitglieder … keine Organfunktion … bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben (sollen).“
Das „sensible Wissen im Kerngeschäftsfeld“ eines Aufsichtsratsmitglieds mit paralleler Organstellung in einem Konkurrenzunternehmen entfaltet regelmäßig einen schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikt des Aufsichtsratsmitglieds sowie ein ernstes Gefährdungspotential für das Interesse des beaufsichtigten Unternehmens. „Auch ohne Vorliegen eines persönlichen Interessengegensatzes befindet sich das betreffende Aufsichtsratsmitglied in einem Wissenszustand, der es nicht mehr als neutrale Überwachungsfigur erscheinen lässt.“54 Der Interessenkonflikt liegt dann jenseits der Toleranzgrenze und ist sanktionsbedürftig. Denn es kommt zu einer „dauerhaften Pflichtenkollision“ bei einem Aufsichtsratsmitglied, „wenn die Kerngeschäftsfelder des überwachten Unternehmens und des anderen Unternehmens, … dem diese Person organschaftlich verbunden ist, im Wesentlichen übereinstimmen. In solchen Fällen müssen zwangsläufig in jeder Sitzung Angelegenheiten erörtert und verhandelt werden, die das in der Interessenkollision befindliche Aufsichtsratsmitglied zum Fernbleiben von der Aufsichtsratssitzung zwingen.“55 Plastisch fragte Lutter schon Anfang der neunziger Jahre: „Wie soll man die Modellpolitik zum 190er oder 240er bei Daimler erörtern, wenn ein ‚Mann’ von Audi dabeisitzt?“56
Die Formel vom sensiblen Wissen im Kerngeschäftsfeld schlägt auch die Brücke zu der früheren Analogiedebatte über die §§ 100 Abs. 2, 105 AktG und ihre ratio legis. Die beiden Inkompatibilitätsvorschriften behandeln letztlich Fälle von Interessenkonflikten, bei denen eine auftragsgemäße Ausübung des Aufsichtsratsmandats von vornherein dauerhaft unmöglich ist; sie zielen auf eine Sicherung der Funktionsbedingungen für einen leistungsfähigen Aufsichtsrat ab.57 Bei sensiblem Wissen im Kerngeschäftsfeld liegt für das „konkurrierende“ Aufsichtsratsmitglied eine Situation vor, die der ratio legis der Regelungen über persönliche Voraussetzungen und über Unvereinbarkeit entspricht. Denn das „konkurrierende“ Aufsichtsratsmitglied ist nicht in der Lage, die vom Gesetz geforderten Aufgaben zu erfüllen.
Das Gefährdungspotential von sensiblem Wissen im Kerngeschäftsfeld eines Aufsichtsratsmitglieds mit paralleler Organstellung in einem Konkurrenzunternehmen leuchtet bei einem Blick auf die Aufgabenbereiche des Aufsichtsrats unmittelbar ein. „Schon der Umstand, dass in der Sitzung (oder in einem Vorstandsbericht) Angelegenheiten behandelt werden, die zugleich auch Angelegenheiten eines Aufsichtsratsmitglieds in einer sonstigen Tätigkeit sind, kann eine zu lösende Konfliktlage entstehen lassen. Die Interessen der konkurrierenden Unternehmen werden sich nicht klar trennen lassen. Niemand ist in der Lage, das, was er in einem Bereich gehört hat, bei Behandlung einer gleichartigen Angelegenheit im anderen Unternehmen zu ‚vergessen’“.58 Der „Umstand, dass ein Vertreter eines Wettbewerbsunternehmens an Aufsichtsratssitzungen teilnimmt, … lähmt die Erörterung zentraler Fragen der Unternehmensplanung und –entwicklung, da stets die Gefahr besteht, dass der Vertreter des Wettbewerbsunternehmens die im Aufsichtsrat gewonnenen Erkenntnisse bei seinen dortigen Entscheidungen berücksichtigt.“59 Vielmehr ist dann zu befürchten, dass das Unternehmensinteresse des beaufsichtigten Unternehmens durch sachwidrige Verwendung der erlangten Informationen - u.U. ungewollt - verletzt wird. Die Vorstellung, das Aufsichtsratsmitglied könne die verschiedenen Pflichtenkreise voneinander trennen, das Mandat konsequent im Unternehmensinteresse ausüben und die erlangten Kenntnisse bei seinen Tätigkeiten für das konkurrierende Unternehmen unberücksichtigt lassen, erscheint „weltfremd“.60 Wenn das Aufsichtsratsmitglied bei seiner Tätigkeit etwa Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des beaufsichtigten Unternehmens erfahren hat, dann kann es diese Kenntnisse bei Ausübung seiner Organmitgliedschaft im konkurrierenden Unternehmen schwerlich dann verdrängen, wenn es dort darauf ankommt. Schon beinahe sarkastisch ist bemerkt worden: „Das Wohl zweier miteinander in Wettbewerb stehender Unternehmen zu fördern, dürfte nicht einfach sein.“61
So hat das auch der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 21.12.1979 gesehen, in der er herausgestellt hat, dass das Aufsichtsratsmitglied eigene persönliche Interessen sowie die Interessen eines anderen Unternehmens, in dessen Verwaltungsorgan das Aufsichtsratsmitglied einen Sitz hat, immer den Interessen des beaufsichtigten Unternehmens unterzuordnen hat. Dort heißt es: „Die Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten in solche Verhaltensweisen, die nur dem einen, nicht aber zugleich dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden könnten, ist, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen sind, nicht möglich.“62
Man kann mithin festhalten, dass ein Aufsichtsratsmitglied, das aufgrund seiner Organfunktion in einem konkurrierenden Unternehmen sensibles Wissen in Kerngeschäftsfeldern des beaufsichtigten Unternehmens erlangt, schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikten ausgesetzt ist, die in Analogie zu §§ 100 Abs. 2. 105 AktG sowie nach den Corporate Governance-Maßstäben gem. Ziff.5.4.2 und 5.5.3 des DCGK (Fassung 2006) jenseits der Toleranzgrenze liegen, inkompatibilitätsbegründend und sanktionsbedürftig sind.
ZurStreitig ist dagegen, ob und unter gegebenenfalls welchen Voraussetzungen auch eine parallele Tätigkeit als leitender Angestellter in einem Konkurrenzunternehmen für einen gravierenden und sanktionsbedürftigen Interessenkonflikt des Aufsichtsratsmitglieds ausreicht. Hier geht es um Leitungsfunktionen als Angestellter in Konkurrenzunternehmen unterhalb bzw. außerhalb einer Organmitgliedschaft. Es finden sich hierzu - soweit ersichtlich - überhaupt nur wenige Stellungnahmen. Teilweise werden parallele Leitungsfunktionen in Konkurrenzunternehmen für nicht ausreichend zur Begründung eines solchen Interessenkonflikts gehalten63, teilweise werden Leitungsfunktionen aber auch mit einer Organmitgliedschaft bei einem Wettbewerber gleichgestellt, und zwar mit dem Hinweis darauf, dass eine zum Fall der Organmitgliedschaft identische Konfliktsituation vorliege.64
In der Tat wird man die Organmitgliedschaft und die Leitungsfunktion insoweit gleichbehandeln, also auch leitende Angestellte in Konkurrenzunternehmen als Personen ansehen müssen, die bei Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats einem schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikt ausgesetzt sind, wenn und soweit sich auch bei ihnen das Gefährdungspotential des „sensiblen Wissens im Kerngeschäftsfeld“ entfaltet. Gewiss nehmen leitende Angestellte nicht, jedenfalls nicht regelmäßig und nicht mit entscheidender Stimme an Sitzungen bzw. Beschlüssen im konkurrierenden Unternehmen teil. Indes begründet ihr sensibles Wissen im Kerngeschäftsfeld beider Unternehmen für das beaufsichtigte Unternehmen vergleichbare Gefahren wie bei einer konkurrierenden Organfunktion. Ohne weiteres trägt die ratio legis der §§ 100 Abs. 2, 105 AktG eine analoge Behandlung von Leitungsfunktionsträgern, weil das sensible Wissen für leitende Angestellte ebenso wie für Organmitglieder von Konkurrenzunternehmen eine in der Tat „identische Konfliktsituation“ schafft.65 Die Konfliktsituation ergibt sich dann zwar nicht aus kollidierenden Organpflichten, „wohl aber aus der Kollision dienstvertraglicher und organschaftlicher Verpflichtungen. In praxi werden die Konfliktfälle ganz ähnlich sein.“66
Entscheidend für eine solche Gleichbehandlung von parallelen Organfunktionen und von parallelen Leitungsfunktionen außerhalb einer Organmitgliedschaft spricht im Übrigen die Empfehlung in Ziff. 5.4.2 des DCGK, in deren Satz 4 es zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats heißt:
„Aufsichtsratsmitglieder sollen keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben.“
Hier werden „Organfunktionen bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens“ ausdrücklich „Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern“ gleichgestellt. Damit wird zum einen auch in anderen konkurrierenden Tätigkeiten als Organfunktionen bei Wettbewerbern ein möglicher Inkompatibilitätsgrund gesehen. Zum anderen wird man eine solche Erstreckung, wenn sie schon auf „Beratungsaufgaben“ für angebracht gehalten wird, erst recht bei „Leitungsfunktionen bei wesentlichen Wettbewerbern“ als geboten ansehen müssen.
Ein schlagendes Argument für die Einbeziehung leitender Angestellter, das - soweit ersichtlich - bislang noch nicht thematisiert worden ist, findet sich im AktG selbst, nämlich in der Inkompatibilitätsregelung des § 105 Abs. 1 AktG, wonach ein Aufsichtsratsmitglied nicht zugleich „Vorstandsmitglied, dauernd Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern, Prokurist oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter der Gesellschaft sein (kann)“. Hieraus lässt sich ersehen, dass das Gesetz die Ebene der leitenden Angestellten an die der Geschäftsführung heranrückt und von einem erheblichen Einfluss der leitenden Angestellten auf die Geschäftsführung ausgeht. Man kann dies im vorliegenden Zusammenhang unschwer als Ausdruck des gesetzgeberischen Bewusstseins darüber verstehen, dass auch leitende Angestellte grundsätzlich und regelmäßig über sensibles Wissen in Kerngeschäftsfeldern verfügen.
Mit der vorstehenden Überlegung verbindet sich zugleich ein weiterer Befund: Auf Aufsichtsratsmitglieder mit einer Paralleltätigkeit in Konkurrenzunternehmen unter- bzw. außerhalb der Ebene der leitenden Angestellten lassen sich die genannten Inkompatibilitätskriterien nicht übertragen. Diese Grenzziehung erscheint nur auf den ersten Blick unscharf. Der „leitende Angestellte“ hat nach seinem Tätigkeits- und Verantwortungsprofil eine durch Literatur und Rechtsprechung sowohl im Individualarbeitsrecht wie im Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsrecht hinreichend deutlich abgegrenzte Position inne, die ihn im Gegensatz zu anderen Angestellten auch der „mittleren Ebene“ nahe an die Geschäftsführung und Unternehmensleitung heranrückt.
ZurIn der Diskussion über die Grenzen der aktiengesetzlichen „Konflikttoleranz“ gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern und über die verschiedenen Differenzierungsmöglichkeiten von Interessenkonflikten sind auch die Rechtsfolgen und Sanktionen im Falle intolerabler, schwerwiegender Interessenkonflikte umstritten. Die Rechtsprechung hat sich nur zu wenigen Einzelfällen geäußert, die keine Verallgemeinerung und Systematisierung zulassen.67 Im Schrifttum stellt sich das Meinungsbild, das sich teilweise freilich bereits vor der deutschen Corporate Governance-Diskussion gebildet hat, als sehr unübersichtlich und uneinheitlich dar. Die unterschiedlichen Sanktionen, die im Schrifttum vorgeschlagen werden, decken ein breites Spektrum ab, das insbesondere Stimmverbote, den Ausschluss vom Informationsfluss, das Verbot der Teilnahme an „kritischen“ Aufsichtsratssitzungen, die Bildung von speziellen Ausschüssen oder Unterausschüssen ohne Beteiligung von „kritischen“ Aufsichtsratsmitgliedern, die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses, die Unwirksamkeit einer Entsendung oder die gerichtliche Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund umfasst. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass sich die Rechtsfolgen nach der „Konfliktintensität“ bzw. dem Maß der Gefährdung der Interessen des beaufsichtigten Unternehmens richten müssen. Immer muss es sich um Interessenkonflikte jenseits der Toleranzgrenze und insofern um mehr oder weniger schwerwiegende Interessenkonflikte handeln. Das Sanktionsprogramm ist offenbar von der Suche nach dem mildesten Mittel zur Eindämmung und Beherrschung eines Interessenwiderstreits gekennzeichnet, wobei dieses mildeste Mittel dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu genügen hat, also einerseits erforderlich, andererseits aber ausreichend und schließlich angemessen sein soll. Zur Zurückhaltung bei sanktionierenden Rechtsfolgen mahnt das AktG, dass jenseits der „harten“ Inkompatibilitätsregelungen in §§ 100, 105 AktG nur für wenige Sonderfälle wie vor allem den der Kreditgewährung gemäß § 115 Abs. 3 AktG Regelungen bereitstellt und ansonsten auf eine uneingeschränkte Mandatsausübung jedes Aufsichtsratsmitglieds besonderen Wert legt. Die Teilnahme an den Sitzungen und an den Beratungen über die gegenwärtigen und zukünftige Entwicklung aller Kerngeschäftsfelder und die Mitwirkung an der organschaftlichen Entscheidungsfindung gehören zu den grundlegenden Pflichten und Kompetenzen eines Aufsichtsratsmitglieds.68
ZurSoweit die zitierte Literatur auf Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern mit Sanktionen wie Stimmverbot, Ausschluss vom Informationsfluss, Verbot der Teilnahme an „kritischen“ Aufsichtsratssitzungen oder Begründung von Ausschüssen und Unterausschüssen des Aufsichtsrats reagiert, stehen durchweg Interessenkonflikte „im Einzelfall“ in Rede, die gleichsam zu einer speziellen, einzelfallbezogenen Inkompatibilität der Mandatsausübung führen. Solche Interessenkonflikte im Einzelfall können etwa aus einer persönlichen Betroffenheit eines Aufsichtsratsmitglieds oder aus seinem persönlichen Engagement im Zusammenhang mit einem speziellen Beratungs- und Beschlussgegenstand heraus entstehen. Zu den Interessenkonflikten im Einzelfall sind dabei auch Beschlussfassungen über ein besonderes Geschäft des Unternehmens mit einem anderen Unternehmen zu zählen, in dessen Leitungs- oder Überwachungsorgan das Aufsichtsratsmitglied tätig ist.69
Einige Stimmen wenden sich freilich gegen jede über die gesetzlich geregelten Spezialfälle hinausgehenden Inkompatibilitäten und Sanktionen bei Interessenkollisionen in derartigen Einzelfällen.70 Andere Stimmen sehen ergänzende Inkompatibilitäts- und Sanktionsregelungen als „wünschenswert“ an71, während sich aber ein beachtlicher Teil des Schrifttums für ergänzende, zu allermeist per analogiam begründete Inkompatibilitäts- und Sanktionsregelungen ausspricht.72
Wenn sich Interessenkonflikte in Einzelfällen tatsächlich isolieren und auf Einzelfälle reduzieren lassen, liegt die Sanktion mit Stimmenthaltungspflichten bzw. Stimmverboten für das betroffene Aufsichtsratsmitglied in der Tat nahe. Dies ist weitgehend anerkannt und wird meist mit einer analogen Anwendung der vereinsrechtlichen Vorschrift des § 34 BGB73, bisweilen auch der stellvertretungsrechtlichen Regelung des Selbstkontrahierungsverbots bzw. der Mehrfachvertretung nach § 181 BGB74 begründet. Dabei kann eine Pflicht zur Stimmenthaltung schon in „Unsicherheitslagen“ bestehen, in denen vom Aufsichtsratsmitglied ein bedingungsloses Handeln im Unternehmensinteresse nicht erwartet werden kann.75 Des weiteren wird ein Stimmverbot aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verbots des Richtens in eigener Sache abgeleitet, der auf die römische Rechtsparömie „nemo iudex in rem suam“76 zurückgeht77, in § 136 AktG eine spezielle Ausprägung erfahren hat, allerdings nicht bei korporationsrechtlichen Geschäften wie der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden gilt. Die Pflicht wie auch das Recht zur Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats und zur Mitwirkung an der Diskussion und Beratung sollen dabei unberührt bleiben.78
Als weitergehende Sanktion bei isolierbaren Interessenkonflikten in Einzelfällen wird vor allem der Ausschluss des „kritischen“ Aufsichtsratsmitglieds von der Erlangung der dem Aufsichtsrat zukommenden Informationen, d.h. de facto ein fallweiser Sitzungsausschluss vorgeschlagen.79 Dieser Gedanke geht auf einen früheren Entwurf zur gemeinschaftsrechtlichen EG-Strukturrichtlinie zur Angleichung des Rechts der Aktiengesellschaften zurück, in dessen Art. 73 Abs. 3 ein solches Teilnahmeverbot statuiert werden sollte; jedoch wurde diese Bestimmung beim dritten Vorschlag für eine Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft dann fallen gelassen.80 Andere Stimmen warnen allerdings vor einem Sitzungsausschluss und sehen darin bereits einen Verstoß gegen das Übermaßverbot81 oder verlangen für einen Teilnahmeausschluss nicht nur eine abstrakte Gefahr für das Unternehmensinteresse, sondern eine „konkrete Gefährdung wichtiger Belange der Gesellschaft“82 durch den Interessenkonflikt des Aufsichtsratsmitglieds, bei deren Vorliegen dann aber eine Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG vorrangig sei. Im Übrigen müsse über einen Sitzungsausschluss bzw. einen Informationsausschluss - anders als bei einem allein vom Aufsichtsratsvorsitzenden auszusprechenden Stimmverbot - das Plenum des Aufsichtsrats entscheiden, wobei das betroffene Mitglied freilich kein Stimmrecht habe.83
ZurEs ist leicht erkennbar, dass solche „einfachen“ Sanktionen auf isolierbare Interessenkonflikte in vorübergehenden Einzelfällen und damit auf Situationen spezieller, einzelfallbezogener Inkompatibilität beschränkt sind. Bisweilen stehen aber dauerhafte Interessenkonflikte in Rede, bei denen sich die Frage nach einer generellen, umfassenden Inkompatibilität stellt. Dies ist namentlich der Fall, wenn ein Aufsichtsratsmitglied laufend sensibles Wissen in den Kerngeschäftsfeldern der beaufsichtigten Unternehmen erlangt und akkumuliert, das ein erhebliches Gefährdungspotential für die Wettbewerbssituation und damit für das Unternehmensinteresse des Unternehmens darstellt. Sind etwa Sachverhalte und Fragestellung der Produktion und des Absatzes von Produkten, die die Wettbewerbsposition des Unternehmens unmittelbar betreffen, in den Sitzungen des Aufsichtsrats immer wieder Gegenstände der Information, der Beratung und der Beschlussfassung, dann können die Aufsichtsratsmitglieder ihr sensibles Wissen in den Kerngeschäftsfeldern bei Ausübung ihrer Organmitgliedschaft bzw. Leitungsfunktionen in konkurrierenden Unternehmen nicht verdrängen und sind kontinuierlich schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikten ausgesetzt, die in Analogie zu §§ 100 Abs. 2. 105 AktG sowie nach den Corporate Governance-Maßstäben gem. Ziff. 5.4.2 und 5.5.3 des DCGK (Fassung 2006) jenseits der Toleranzgrenze liegen, inkompatibilitätsbegründend und sanktionsbedürftig sind. Mit Stimmenthaltungspflichten bzw. Stimmverboten, dem Ausschluss vom bestimmten Informationen oder dem Verbot der Teilnahme an „kritischen“ Aufsichtsratssitzungen kann bei derartigen schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikten kein hinreichender Schutz des Unternehmensinteresses gewährleistet werden.
Nach Lage der Dinge wären die intolerabel konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglieder ja ständig bzw. immer wieder mit Stimm- und Teilnahmeverboten zu belegen, so dass sie letztlich regelmäßig den Sitzungen fernbleiben müssten. Es versteht sich, dass damit die zentralen aktiengesetzlichen Instrumente des Aufsichtsrats zur Überwachung und Beratung der Geschäftsführung (§ 111 AktG)84 von der Invalidität bedroht wären; die Informationsversorgung nach § 90 AktG von der periodischen Routineberichterstattung bis zu Ad hoc-Berichterstattung, die Informationsverarbeitung in Sitzungen (§ 110 AktG) und Beschlüssen (§ 108 AktG), die – seit dem KonTraG besonders wichtige - Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfern (§ 124 Abs. 3. 1 AktG, § 319 HGB, § 171 AktG), ja das gesamte Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG, stünde vor dem Kollaps.85
Im Schrifttum zu den Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern bei Organverflechtung in konkurrierenden Unternehmen ist durchaus auf diesen Extremfall einer Konkurrenzsituation beider Unternehmen „in einem oder mehreren gleichen Kerngeschäftsfeldern“86 oder „in zentralen Tätigkeitsbereichen“87 hingewiesen worden, bei dem die Pflichtenkollision „infolge ihrer nachhaltigen, dauerhaften Wirkung ein ständiges Fernbleiben von der Sitzung erforderlich macht“, weil in zahlreichen Sitzungen immer wieder konfliktträchtige Angelegenheiten zu behandeln sind.88 Dabei wird überwiegend klar erkannt: Hier helfen Teilnahme- und Stimmverbote nicht. Das Aufsichtsratsmitglied, „das auf Grund seiner Mitgliedschaft in der Verwaltung eines Wettbewerbers über sensibles Wissen verfügt, kann sein Aufsichtsratsmandat nicht unvoreingenommen ausüben.“ Dem konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglied ist die Wahrnehmung seiner grundlegenden Kompetenzen, nämlich die Teilnahme an den Beratungen über die Entwicklung der Kerngeschäftsfelder und die Mitwirkung an der organschaftlichen Entscheidungsfindung hierüber, „unmöglich, da es wegen des vorhergehenden Interessenwiderstreits vom Informationsfluss (Berichtswesen, Sitzungsteilnahme) ausgeschlossen werden muss. Wer vom Informationsfluss ausgeschlossen ist, kann sein Mandat nicht pflichtgemäß ausüben. Ein Aufsichtsratsmitglied, das sein Mandat nicht ordnungsgemäß erfüllen kann, darf nicht Mitglied im Aufsichtsrat sein.“89
In der Literatur ist ein solches Aufsichtsratsmitglied mit einem durch Krankheit dauerhaft verhinderten Mitglied verglichen worden.90 Auch ist in diesem Zusammenhang von einer „unverantwortlichen Belastung der Aufsichtsratsarbeit“91 und von einem „faktischen Ruhen des Amtes“92 gesprochen worden. Denn bei „dauerhaften Pflichtenkollisionen“, die „das Aufsichtsratsmitglied zum Fernbleiben von der Aufsichtsratssitzung zwingen“, kann dieses „sein Mandat nicht pflichtgemäß wahrnehmen“. Wenn die „Kerngeschäftsfelder des überwachten Unternehmens und des anderen Unternehmens … im Wesentlichen übereinstimmen“ und praktisch „in jeder Sitzung Angelegenheiten erörtert und verhandelt werden“, wenn also das Aufsichtsratsmitglied „auf einem oder mehreren Kerngeschäftsgebieten dauernden Interessenkonflikten und Konflikten in einer Vielzahl von Fällen unterliegt, genügt eine Stimmenthaltung nicht“; das Aufsichtsratsmitglied „darf sein Mandat nicht fortführen“.93 Es ist in diesem Licht deutlich erkennbar, dass es hier nicht um spezielle, einzelfallbezogene Inkompatibilitäten geht, sondern um eine generelle, umfassende Inkompatibilität der „kritischen“ Aufsichtsratsmandate der betreffenden bzw. betroffenen Aufsichtsratsmitglieder.
ZurSchon vor dem Einsetzen der Corporate Governance-Diskussion in Deutschland, mit zunehmender Dringlichkeit aber in den letzten zehn Jahren unter dem Eindruck dieser Diskussion und der verschiedenen Fassungen des DCGK sind für schwerwiegende und dauerhafte Interessenkonflikte der hier in Rede stehenden Art die Sanktionen des Verbots und der Unwirksamkeit der Wahl bzw. der Entsendung in den Aufsichtsrat vorgeschlagen worden.94 Nur so sei der generellen, umfassenden Inkompatibilität Rechnung zu tragen. Aufsichtsratsmitglieder mit schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikten seien nicht in der Lage, ihre vom Gesetz geforderten Aufgaben zu erfüllen, sollten daher nicht in den Aufsichtsrat gewählt bzw. entsandt werden dürfen und müssten, falls sie dennoch gewählt bzw. entsandt worden seien, den Aufsichtsrat wieder verlassen. Der Ausschluss der Wählbarkeit sei die „logisch zwingende Rechtsfolge der anfänglichen Inkompatibilität“.95 Sollte sich der schwerwiegende und dauerhafte Interessenkonflikt erst nach der Wahl einstellen, müssten sie gleichfalls den Aufsichtsrat verlassen.
Begründet werden diese Rechtsfolgen – nicht selten recht vage - mit einer Analogie zu den gesetzlichen Inkompatibilitätsregeln der §§ 100 Abs. 2 und 105 AktG sowie mit der Vorschrift über die Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern in § 250 AktG, insbes. nach § 250 Abs. 1 Nr. 4.96 Da sich der Gesetzgeber mit dieser Problematik der dauerhaften schwerwiegenden Interessenkonflikte nicht befasst habe und eine Regelungslücke bestehe, müsse eine entsprechende Anwendung der stehenden gesetzlichen Regelungen für Fälle von Interessenkollisionen, also eine „Gesamtanalogie“ vorgenommen werden.
Dabei fallen freilich methodische Schwächen und argumentative Inkonsistenzen auf: Wenn als Rechtsfolge einer Rechtswidrigkeit des Wahlbeschlusses in Analogie zu §§ 100 Abs. 2 und 105 AktG von einer „Nichtigkeit“ der Wahl zum Aufsichtsratsmitglied nach § 250 AktG ausgegangen wird97, dann lässt sich das schwerlich auf den Fall einer Entsendung übertragen, der kein Beschluss, sondern die schlichte Ausübung eines satzungsgemäßen Entsendungsrechts zugrunde liegt. Es bleibt unklar, was im Fall der Entsendung nichtig sein soll. Die aktienrechtlichen Vorschriften zur Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern sind auf entsandte Aufsichtsratsmitglieder (und übrigens auch auf Arbeitnehmervertreter) nicht anwendbar. Vor allem aber erscheint die Nichtigkeitssanktion als zu starr98, kann doch die Nichtigkeit außer durch Feststellungsklage auch „auf andere Weise“ (§ 250 Abs. 3 S. 2 AktG geltend gemacht werden. Dies lässt dem betroffenen Unternehmen keinen Spielraum bei der Reaktion auf den schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikt eines Aufsichtsratsmitglieds, sondern dekretiert ein Verbot bzw. eine Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit der Wahl bzw. Entsendung. Damit setzt sich diese Sichtweise zugleich dem Verdacht aus, dass sie gegen das Verhältnismäßigkeitprinzip und Übermaßverbot verstößt, das doch eine nach der Konfliktintensität dosierte, insbesondere geeignete, erforderliche und angemessene Sanktion verlangt.
ZurEs ist deshalb als Rechtsfolge eines schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikts eines Aufsichtsratsmitglieds statt einer Nichtigkeit entsprechend § 250 AktG eine „interessengerechtere“ Anfechtungsmöglichkeit gemäß § 251 AktG der Wahl in die Diskussion gebracht worden.99 Der Vorteil der Anfechtungsmöglichkeit wäre in der Tat, dass die in Betracht kommenden Antragsteller selbst über die Bedeutung und die Schwere des Interessenkonflikts des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds entscheiden könnten. Ihnen würde es anheim gestellt, unter Verzicht auf eine Anfechtung den Interessenkonflikt in Kauf zu nehmen, oder aber durch eine Anfechtung auf einen Ausschluss des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds von der Amtsführung hinzuwirken. Die Antragsteller als Aktionäre oder als für die Geschäftsführung verantwortlicher Vorstand könnten hier eine nach dem Unternehmensinteresse optimierte Entscheidung treffen.100
Indes ist auch diese Sichtweise Bedenken ausgesetzt. Wiederum lässt sich die Rechtsfolge einer Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses nach § 251 AktG schwerlich auf den Fall einer Entsendung übertragen, der kein Beschluss, sondern die schlichte Ausübung eines satzungsgemäßen Entsendungsrechts zugrunde liegt. Es bleibt unklar, was bei einer Entsendung anfechtbar sein soll. Genau genommen, ist zudem eine Anfechtungsmöglichkeit entsprechend § 251 AktG kaum „interessengerechter“ als eine Nichtigkeitssanktion nach § 250 AktG. Denn in beiden Fällen müsste das Unternehmen eine längere Zeit der Ungewissheit über die Wirksamkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Wahlbeschlusses bzw. u.U. der Entsendungsentscheidung hinnehmen. Folge hiervon könnte eine entsprechend lange Ungewissheit über die Gültigkeit jener Aufsichtsratsbeschlüsse sein, an denen das betroffene Aufsichtsratsmitglied ungeachtet des schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikts mitgewirkt hat.101 Die möglichen Effektivitätseinbußen solcher Ungewissheiten für den Aufsichtsrat bzw. das Unternehmen liegen auf der Hand. Es ist „für den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft misslich …, für längere Zeit nicht zu wissen, ob eine Person rechtmäßig Aufsichtsrat ist oder nicht. Die Rechtsbeständigkeit von Beschlüssen stünde in Frage. Eine solche Unsicherheit über die Zusammensetzung des Organs kann nicht hingenommen werden.“102
Man wird deshalb denjenigen Literaturstimmen Recht geben müssen, die eine Anfechtungsmöglichkeit des Wahlbeschlusses in Übereinstimmung mit den allgemeinen Regeln des § 251 AktG auf solche Fälle beschränken, in denen die Mehrheit in der Hauptversammlung im Ausnahmefall ihr Stimmrecht missbraucht. Ansonsten und insbesondere bei nicht gewählten, sondern entsandten Aufsichtsratsmitgliedern bieten weder Nichtigkeit nach § 250 AktG noch Anfechtungsmöglichkeit nach § 251 AktG eine angemessene Rechtsfolge in den Fällen eines schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikts. Wenn man auch für derartige intolerable Interessenkonflikte eine Inkompatibilität und Sanktionsbedürftigkeit in analoger Anwendung der §§ 100 Abs. 2 und 105 AktG begründen kann, dann zwingt dies noch nicht zur Übernahme der Rechtsfolgen der Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit.
ZurNach einer schon früher vertretenen103 und neuerdings Zulauf findenden Ansicht104 im Schrifttum ist auf die Fälle schwerwiegender und dauernder Interessenkonflikte eines Aufsichtsratsmitglieds, die in Analogie zu §§ 100 Abs. 2. 105 AktG sowie nach den Corporate Governance-Maßstäben gem. Ziff. 5.4.2 und 5.5.3 des DCGK (Fassung 2006) jenseits der Toleranzgrenze liegen, inkompatibilitätsbegründend und sanktionsbedürftig sind, mit einer gerichtlichen Abberufung aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG zu reagieren. Dabei ist die Heranziehung der Vorschrift zum Abberufungsverfahren nicht etwa als ein „aliud“ gegenüber einer analogen Anwendung der Inkompatibilitätsregelungen zu verstehen.105 Vielmehr wird für die Fälle schwerwiegender und dauernder Interessenkonflikte eines Aufsichtsratsmitglieds, die in Analogie zu den Regelungen der §§ 100 Abs. 2. 105 AktG sowie nach den Corporate Governance-Maßstäben gem. Ziff. 5.4.2 und 5.5.3 des DCGK (Fassung 2006) inkompatibilitätsbegründend erkannt worden sind, die Rechtsfolge angepasst: Die in den gesetzlichen Inkompatibilitätsfällen vorgesehene Rechtsfolge der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit kann wegen ihrer Starrheit, Unverhältnismäßigkeit bzw. Rechtsunsicherheit nicht als sachgerecht angesehen werden und muss der nahe liegenden Rechtsfolge der gerichtlichen Abberufbarkeit nach § 103 Abs. 3 AktG weichen: die durch einen schwerwiegenden dauerhaften Interessenkonflikt begründete Inkompatibilität stellt immer einen „wichtigen Grund“ i.S. des § 103 Abs. 3 AktG dar.106
Man wende hiergegen nicht ein, dass der durch § 103 Abs. 3 AktG gewährte Schutz nicht „effektiv“ sei, „weil er zur Disposition der Aufsichtsratsmitglieder steht und damit von einem Mehrheitsaktionär, der über die Besetzung des Aufsichtsrats entscheidet, ohne weiteres ausgehebelt werden kann“.107 In Wirklichkeit stellt sich eine „Aushebelung“ als keineswegs einfach darf. Denn der Aufsichtsratsvorsitzende und sämtliche sonstigen Aufsichtsratsmitglieder - betroffene konfliktbelastete Aufsichtsratsmitglieder sind nicht stimmberechtigt - sind aufgrund ihrer Sorgfaltspflicht und aufgrund ihrer Bindung an das Unternehmensinteresse dazu verpflichtet, den Antrag auf Abstimmung nach § 103 Abs. 3 S. 2 AktG stellen. Durchaus bildet § 103 Abs. 3 AktG die geeignete, erforderliche und angemessene Reaktion und Sanktion auf einen schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikt eines Aufsichtsratsmitglieds.
Dies bedeutet zum einen, dass die Wahl oder die Entsendung eines bereits vorher intolerabel konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglieds wirksam und gültig, also weder nichtig noch - vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmefälle - anfechtbar ist. Dies bedeutet zum anderen, dass eine intolerable Konfliktbelastung des Aufsichtsratsmitglieds - gleichviel, ob sie von Anfang an bestanden hat oder sich erst später während der Mandatsausübung eingestellt hat - einen wichtigen Grund für eine gerichtliche Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG bildet.108
Der Zulauf, den diese Ansicht findet, erklärt sich wohl dadurch, dass sie weit eher als die Sanktionen der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit in schöner Übereinstimmung mit Ziff. 5.5.3 des DCGK steht, wo es heißt:
„Wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds sollen zur Beendigung des Mandats führen.“
Die gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds, in dessen Person ein „wichtiger Grund“ nach § 103 Abs. 3 AktG vorliegt, hängt freilich von einem Antrag des Aufsichtsrats ab. Die Abberufung durch das Gericht wird erst mit der Rechtskraft der Entscheidung wirksam. Kein Gehör hat bislang der Vorschlag in der Literatur gefunden, die Regelung des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG, wonach der Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitglieds bis zur rechtskräftigen Feststellung seiner Unwirksamkeit wirksam ist, auf die Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund „in der Weise zu übertragen, dass die Abberufung … bereits mit der gerichtlichen Antragstellung (vorläufig) wirksam wird.“109 Der Vorschlag ist in der Tat zu verwerfen, weil damit einer Minderheit ein ganz und gar unangemessener Einfluss eingeräumt und dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet würde. Der einschränkende Gedanke, eine sofortige Wirksamkeit „jedenfalls“ oder „allenfalls“ vorzusehen, „wenn der Antrag von der Mehrheit der abgegebenen Stimmen getragen wird“110, liefe auf einen Akt freier Rechtsfindung ohne gesetzliche und methodische Grundlage hinaus.
ZurBettet man die vorstehenden Überlegungen zu den Sanktionen schwerwiegender und dauerhafter Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern in das Gefüge der organschaftlichen und vertraglichen Rechte und Pflichten der Beteiligten ein, um daraus Handlungsgebote abzuleiten und Haftungsrisiken abzuschätzen, dann lassen sich durchaus klare Aussagen treffen. Dies betrifft zunächst die betroffenen, intolerabel konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglieder persönlich.
Zum ersten trifft die betroffenen und konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglieder eine Offenlegungspflicht bezüglich der schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikte. Rechtsgrundlage für diese Offenlegungspflicht ist die Sorgfalts- und Treuepflicht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gemäß §§ 93 Abs. 1, 116 AktG. Dabei besteht diese Pflicht zur unverzüglichen Offenlegung grundsätzlich zunächst gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden, auf dessen Verlangen aber gegenüber dem gesamten Aufsichtrat.111 Die Offenlegungspflicht steht im Übrigen in Übereinstimmung mit der Empfehlung nach Ziff. 5.5.2 des DCGK, wo es heißt:
„Jedes Aufsichtsratsmitglied soll Interessenkonflikte, insbesondere solche, die auf Grund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können, dem Aufsichtsrat gegenüber offen legen.“ 112
Zum zweiten trifft die konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglieder eine Amtsniederlegungspflicht, die ebenfalls ihren Rechtsgrund in §§ 93 Abs. 1, 116 AktG findet. In der Tat, hätten die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder aufgrund ihrer Sorgfalts- und Treuepflicht bereits ihre Entsendung ablehnen müssen, sofern sie das Bestehen der erheblichen permanenten Interessenkonflikte ab initio erkannt haben.113 Soweit die Unvereinbarkeit erst nachträglich eingetreten bzw. erkannt worden ist, haben sie nun ihr Amt niederzulegen.114 Hierzu heißt es in der Kommentierung von Semler im Münchener Kommentar: „Das Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat ist von einem in einen permanenten Interessenkonflikt geratenen Aufsichtsratsmitglied auf Grund der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht selbst zu bewirken. Das AktG fordert die eigene Wahrnehmung des übernommenen Mandats. Wer erkennt oder bei gebotener Sorgfalt erkennen muss, dass er seine Aufgaben nicht gehörig wahrnehmen kann, darf sein Mandat nicht weiter führen. Seine gesetzliche Sorgfaltspflicht, zu der auch die stete Teilnahme an Sitzungen, Beschlussfassungen und anderen Aufgaben des Aufsichtsrats gehört, gebietet ihm die Abgabe der Rücktrittserklärung.“115
Die Amtsniederlegungspflicht steht im Übrigen in Übereinstimmung mit dem DCGK. Denn Ziff. 5.5.3 Satz 2 lautet:
„Wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds sollen zur Beendigung des Mandats führen.“
Ziff. 5.4.2 Satz 4 bestimmt:
„Aufsichtsratsmitglieder sollen keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben.“
Diese Amtsniederlegungspflicht ist schadensersatzbewehrt: „Unterlässt es das Aufsichtsratsmitglied, sein Ausscheiden selbst zu bewirken und erleidet die Gesellschaft hierdurch Schaden, so kann sich das Aufsichtsratsmitglied schadensersatzpflichtig machen.“116 Rechtsgrundlage hierfür ist wiederum die Verantwortlichkeit des Aufsichtsratsmitglieds nach §§ 93 Abs. 2, 116 AktG.
ZurWenn bei den betroffenen „konkurrierenden“ Aufsichtsratsmitgliedern ein wichtiger Grund für eine gerichtliche Abberufung nach § 103 Abs. 3 S. 1 AktG auf Antrag des jeweiligen Aufsichtsrats vorliegt, dann muss über die Antragstellung im jeweiligen Aufsichtsrat entschieden werden; der Vorstand hat kein Antragsrecht. Der Aufsichtsratsvorsitzende, ergänzend aber auch jedes Aufsichtsratsmitglied muss den erforderlichen Antrag auf Abstimmung stellen.117 „Diejenigen Aufsichtsratsmitglieder, die eine dauernde Verhinderung eines anderen Aufsichtsratsmitglieds erkennen, sind aufgrund ihrer Sorgfaltspflicht gehalten, im Aufsichtsrat einen Antrag zur Antragstellung auf gerichtliche Abberufung des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds zu stellen.“118 Hiervon „müssen die Mitglieder … Gebrauch machen, wenn die Situation dies erfordert. Da der Vorstand kein Antragsrecht hat, muss der Aufsichtsrat handeln.“119
Man muss diese Verpflichtung aller Aufsichtsratsmitglieder gleichfalls im Lichte der neueren aktienrechtlichen Entwicklung betrachten, die dazu geführt hat, dass dem Aufsichtsrat „in den vergangenen Jahren eine Fülle von Pflichten zugewachsen (sind)“.120 Der aktiengesellschaftliche Aufsichtsrat wurde durch das KonTaG in die strategische Unternehmensplanung eingebunden121; er wurde durch den BGH zur Beratung mit dem Vorstand über die Strategie seines Unternehmens verpflichtet122; nach Ziff. 3.1 DCGK arbeiten „Vorstand und Aufsichtsrat … zum Wohle des Unternehmens eng zusammen“. Auf dieser Linie liegt es, wenn inzwischen von einer „Pflicht des Aufsichtsrats zur Mitwirkung an seiner eigenen und möglichst optimalen Zusammensetzung“ gesprochen wird.123 Dies ist eine Ausprägung seines Rechts und seiner Pflicht zur „Selbstorganisation für die Effizienz seiner Überwachungstätigkeit“.124
Die im Interessenkonflikt befindlichen Aufsichtsratsmitglieder haben bei dieser Abstimmung jedenfalls nach herrschender Meinung kein Stimmrecht.125 Eine Mindermeinung will demgegenüber die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder mit stimmen lassen, weil der Entscheidung eine „Regelungswirkung“ fehle.126 Dem ist zu widerstreiten: Weil sich das betroffene Aufsichtsratsmitglied kaum vom Unternehmensinteresse leiten lassen wird, zumindest aber Gefahr läuft, die eigenen Interessen vorzuziehen, muss es vom Stimmrecht über den Antrag seiner Abberufung ausgeschlossen werden.
Die übrigen Mitglieder entscheiden über den Abberufungsantrag durch einfache Mehrheit, § 103 Abs. 3 S. 2 AktG.127 Zu beachten ist, dass nach § 103 Abs. 3 S. 3 AktG bei entsandten Mitgliedern „auch (sic!) Aktionäre, deren Anteile zusammen den zehnten Anteil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Euro erreichen, den Antrag stellen (können)“. Unterlassen der Aufsichtsratsvorsitzende und die stimmberechtigten Aufsichtsratsmitglieder, gegen die im Interessenkonflikt befindlichen Aufsichtsratsmitglieder einen Abberufungsantrag zu stellen bzw. zu unterstützen, können sie sich nach §§ 93 Abs. 2, 116 AktG schadensersatzpflichtig machen.
Dabei ist zu beachten, dass die durch einen schwerwiegenden dauerhaften Interessenkonflikt begründete Inkompatibilität immer einen „wichtigen Grund“ i.S. des § 103 Abs. 3 AktG darstellt. Das Absehen von einem Abberufungsantrag kann daher nur in Ausnahmefällen durch das Unternehmensinteresse gerechtfertigt sein, etwa wenn zuvor dem konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglied die Gelegenheit zum Rücktritt gegeben werden soll. Jenseits solcher Ausnahmefälle ist ein Mehrheitsbeschluss, wonach von einer Abberufung abgesehen werden soll, pflichtwidrig. Die Teilnahme an einem pflichtwidrigen Mehrheitsbeschluss begründet ein haftungsrelevantes Fehlverhalten für die stimmberechtigten und den Beschluss tragenden Aufsichtsratsmitglieder.128 Dabei kann sich keiner von ihnen darauf berufen, dass der Beschluss auch ohne seine Mitwirkung zustande gekommen wäre und es somit an der Kausalität des Fehlverhaltens mangele. Was das überstimmte Mitglied betrifft, scheidet eine Verantwortlichkeit für sein Stimmverhalten mangels eines pflichtwidrigen Verhaltens zwar aus, doch kann es dem überstimmten Mitglied obliegen, sich anderweitig bzw. weiterhin für einen Rücktritt bzw. eine Abberufung des konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglieds einzusetzen. Auch muss jedes Aufsichtsratsmitglied seinerseits „disziplinierend auf (sein) treu- und sorgfaltspflichtwidrig handelndes Co-Mitglied einwirken“.129
ZurDie aufgeworfenen Fragestellungen sind in den Themenkreis „Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern“ eingebettet, der seit einigen Jahren einen Schwerpunkt der aktienrechtlichen Grundlagendiskussion zur Corporate Governance bildet. Diese Diskussion über die rechtliche Erfassung und die Rechtsfolgen von Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern geht dabei - nicht selten stillschweigend - vom Modell des Aufsichtsrats einer autonomen AG außerhalb von Konzernverhältnissen aus. Im Recht der verbundenen Unternehmen gelten aber zum Schutz der abhängigen Gesellschaft eigenständige Schutzmechanismen, die sich von den Grundsätzen der Behandlung von Interessenkonflikten bei Aufsichtsratsmitgliedern autonomer Unternehmen unterscheiden.
Hier gilt für die Frage der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern eine Art „Konzernprivileg“; die allgemeinen Grundsätze zur Handhabung von Interessenkollisionen von Aufsichtsratsmitgliedern in autonomen Unternehmen sind im Bereich verbundener Unternehmen nämlich prinzipiell suspendiert. Der Grund hierfür ist, dass das Konzernrecht zum Schutz einer abhängigen Gesellschaft - gleichviel ob konzernvertraglich abhängig (§ 18 Abs. 1 S. 2 AktG) oder ob faktisch abhängig (§ 17 AktG) - über eigenständige Schutzinstrumente verfügt, die gegenüber den allgemeinen Grundsätzen für Interessenkollisionen von Aufsichtsratsmitgliedern spezieller Natur sind und diese nicht nur weithin „entbehrlich machen“130, sondern kraft ihrer Spezialität verdrängen. Zudem beruhen jene allgemeinen Grundsätze zu Interessenkollisionen von Aufsichtsratsmitgliedern weithin auf aktienrechtlichen Analogiebildungen, für die im Recht der verbundenen Unternehmen mangels des Bestehens von Gesetzeslücken kaum mehr Raum ist.131 Bei faktischer Abhängigkeit gelten prinzipiell allein die §§ 311 ff. AktG. Dieses Regelungsprogramm wirkt sich für die von einem Mehrheitsaktionär bzw. herrschenden Unternehmen in den Aufsichtsrat des faktisch abhängigen Unternehmens entsandten Aufsichtsratsmitglieder als ein „doppeltes Privileg“ für die Wahrnehmung auch „externer Interessen“ aus:132 Zum einen ist es dem herrschenden Unternehmen gestattet, seinen beherrschenden Einfluss faktisch auszuüben, wenn auch unter Ausgleich der veranlassten nachteiligen Maßnahmen gem. § 311 AktG. Zum anderen ist es dem herrschenden Unternehmen erlaubt, das Beteiligungsunternehmen aufgrund seiner faktischen Leitungsmacht in die einheitliche Konzernleitung einzubeziehen, ohne dass die Hauptversammlung des abhängigen Unternehmens der Konzernbildung zustimmen müsste. Im faktischen Konzern wird vom Gesetz unterstellt und geduldet, dass das herrschende Unternehmen durch eigene Organmitglieder bzw. Vertrauensleute im Aufsichtsrat des beherrschten Unternehmens vertreten ist und dort die einheitliche Leitung ausübt.
So ist weithin anerkannt, dass ein Unternehmen, das eine beherrschende Beteiligung an einem anderen Unternehmen hält, Organmitglieder des eigenen Unternehmens oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens in den Aufsichtsrat des beherrschten und mit ihm in Wettbewerb stehenden Unternehmens wählen bzw. (satzungsgemäß) bestellen darf, auch wenn diese Aufsichtsratmitglieder bei der Wahrnehmung der Beteiligungsinteressen zielgerichtet Konkurrenzinteressen verfolgen. Das deutsche Recht der verbundenen Unternehmen hat sich bewusst gegen einen eigenständigen Konzerneingangsschutz (Präventivschutz) entschieden und sich in den §§ 311 ff. AktG auf einen Konzernbestandsschutz (vermögensrechtliche Selbständigkeit der abhängigen Gesellschaft) konzentriert. Ein Präventivschutz darf deshalb nicht „durch die Hintertür“ der sanktionierenden Behandlung von Interessenkonflikten der Aufsichtsratsmitglieder, die im beherrschten Unternehmen konkurrierende Konzerninteressen vertreten, eingeführt werden.133 Hält ein Unternehmen eine Beteiligung, die ihm einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ermöglicht, dann darf das Recht zur Tochteraufsichtsratsbesetzung nicht wegen eines mit dem Unternehmensinteresse konkurrierenden Konzerninteresses eingeschränkt werden.134 Vielmehr kann der Tochteraufsichtsrat mit „Vertrauensleuten“ des herrschenden Unternehmens besetzt werden, die in besonderer Weise auf die Interessen dieses herrschenden Unternehmens (als „Unternehmensgesellschafter“) und der mit ihm verbundenen Unternehmen Bedacht nehmen und diese im Bereich sich überschneidender Aktivitätsprogramme (Unternehmensgegenstände i.S. des § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG) favorisieren. Insoweit legitimiert die Konzernleitungsmacht die Durchsetzung von Fremdinteressen, die mit dem Interesse des überwachten Unternehmens konkurrieren. In diesem Rahmen kommt es zur rechtlich legitimierten „Unterordnung unter ein gemeinsames Konzerninteresse, in dem die den potentiellen Interessenwiderstreit begründenden Einzelinteressen aufgehen“.135
An dieser seit Jahrzehnten allgemein anerkannten Rechtslage, die freilich eine Besonderheit des deutschen Aktienrechts mit seinem in der Welt beinahe einzigartigen Konzernrecht markiert, hat auch die deutsche Corporate Governance-Diskussion der letzten Jahre nichts geändert. Das mag zunächst überraschen. Denn die Kritik136 an den überkommenen deutschen Standards der Unabhängigkeitssicherung von Aufsichtsratsmitgliedern, insbesondere auch die Kritik der EU-Kommission137, zielte von Anfang an auch darauf ab, dass es den Repräsentanten eines kontrollierenden Großaktionärs vielfach an der notwendigen Unabhängigkeit fehle und dass die Position des Mehrheitsaktionärs zu einem potentiellen Interessenkonflikt mit den Minderheitsaktionären führe, der eine unabhängige Überwachung im Interesse der Minderheit erfordere.138 Diese Bedenken hat aber die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex bewusst unter Hinweis auf die Besonderheiten des deutschen Konzernrechts zurückgewiesen und damit sichergestellt, dass die Steuerung deutscher Konzerne auch weiterhin über Aufsichtsräte in Tochtergesellschaften erfolgen kann.139 Diese Zurückweisung ist nicht nur damit zu rechtfertigen, dass die Schutzinstrumente des deutschen Konzernrechts die Einflussnahme auf die Unternehmensleitung angemessen beschränken und den Ausgleich zugefügter Nachteile gewährleisten. Auch im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ist das Interesse des Großaktionärs an der Überwachung des Managements und der Verwendung des zur Verfügung gestellten Kapitals jedenfalls in den konzernrechtlich gesetzten Grenzen anzuerkennen.140
ZurZusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich im Zuge der deutschen Corporate Governance-Diskussion zur Unabhängigkeit des Aufsichtsrats im Schrifttum der letzten Jahre dogmatische Konturen zur Problemlösung herauskristallisiert haben, die eine klare Tendenz erkennen lassen, Interessenkonflikten von Aufsichtsratsmitgliedern mit abnehmender Toleranz und mit zunehmenden Sanktionen zu begegnen. In der Tat werden solche Interessenkonflikte immer stärker im Lichte eines besonderen Unabhängigkeitspostulats für Aufsichtsratsmitglieder betrachtet, das in der Form, in der es heute im Rahmen der Corporate Governance-Diskussion aufgestellt wird, früher unbekannt war. Danach ist vor allem ein Aufsichtsratsmitglied, das aufgrund seiner Organfunktion in einem konkurrierenden Unternehmen sensibles Wissen in Kerngeschäftsfeldern des beaufsichtigten Unternehmens erlangt, schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikten ausgesetzt, die in Analogie zu §§ 100 Abs. 2. 105 AktG sowie nach den Corporate Governance-Maßstäben gem. Ziff. 5.4.2 und 5.5.3 des DCGK (Fassung 2006) jenseits der Toleranzgrenze liegen, inkompatibilitätsbegründend und sanktionsbedürftig sind. Als Sanktion hierauf kann die in den gesetzlichen Inkompatibilitätsfällen vorgesehene Rechtsfolge der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Wahl bzw. Entsendung des Aufsichtsrats wegen ihrer Starrheit, Unverhältnismäßigkeit bzw. Rechtsunsicherheit nicht als sachgerecht angesehen werden. Sie muss der nahe liegenden Rechtsfolge der gerichtlichen Abberufbarkeit nach § 103 Abs. 3 AktG weichen: die durch einen schwerwiegenden dauerhaften Interessenkonflikt begründete Inkompatibilität stellt immer einen „wichtigen Grund“ i.S. des § 103 Abs. 3 AktG dar. Durchaus bildet § 103 Abs. 3 AktG die geeignete, erforderliche und angemessene Reaktion und Sanktion auf einen schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikt eines Aufsichtsratsmitglieds. Die betroffenen und konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglieder trifft eine Offenlegungspflicht bezüglich der schwerwiegenden und dauerhaften Interessenkonflikte. Rechtsgrundlage für diese Offenlegungspflicht ist die Sorgfalts- und Treuepflicht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gemäß §§ 93 Abs. 1, 116 AktG. Zudem trifft die konfliktbelasteten Aufsichtsratsmitglieder eine Amtsniederlegungspflicht, die ebenfalls ihren Rechtsgrund in §§ 93 Abs. 1, 116 AktG findet. Wenn bei den betroffenen „konkurrierenden“ Aufsichtsratsmitgliedern ein wichtiger Grund für eine gerichtliche Abberufung nach § 103 Abs. 3 S. 1 AktG auf Antrag des jeweiligen Aufsichtsrats vorliegt, dann muss über die Antragstellung im jeweiligen Aufsichtsrat entschieden werden; der Vorstand hat kein Antragsrecht. Der Aufsichtsratsvorsitzende, ergänzend aber auch jedes Aufsichtsratsmitglied muss den erforderlichen Antrag auf Abstimmung stellen. Die im Interessenkonflikt befindlichen Aufsichtsratsmitglieder haben bei dieser Abstimmung kein Stimmrecht. Diese Grundsätze zur Handhabung von Interessenkollisionen von Aufsichtsratsmitgliedern in autonomen Unternehmen sind im Bereich verbundener Unternehmen allerdings prinzipiell suspendiert. Hier gilt für die Frage der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern eine Art „Konzernprivileg“. Der Grund hierfür ist, dass das Konzernrecht zum Schutz einer abhängigen Gesellschaft - gleichviel ob konzernvertraglich abhängig (§ 18 Abs. 1 S. 2 AktG) oder ob faktisch abhängig (§ 17 AktG) - über eigenständige Schutzinstrumente verfügt, die gegenüber den allgemeinen Grundsätzen für Interessenkollisionen von Aufsichtsratsmitgliedern spezieller Natur sind und diese verdrängen. Insbesondere wird im faktischen Konzern vom Gesetz unterstellt und geduldet, dass das herrschende Unternehmen durch eigene Organmitglieder bzw. Vertrauensleute im Aufsichtsrat des beherrschten Unternehmens vertreten ist und dort die einheitliche Leitung ausübt.
(1) Dazu Lieder, NZG 2005, 569.
(2) Vgl. Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament KOM (2003) 284 endg., abgedruckt in NZG 2003, Beil. Zu Heft 13; dazu Habersack, ZHR 168 (2004), 373; Hopt, in: Festschrift für Röhricht 2005, 235; Hopt, ZIP 2005, 461; van Hulle/Maul, ZGR 2004, 484.
(3) ABl. EG L 52 v. 25.2.2005; dazu Spindler, ZIP 2005, 2033.
(4) Vgl. dazu etwa Hüffer, ZIP 2006, 637; Säcker, Die AG 2004, 180; Schwalbach, Die AG 2004, 186, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vgl. neuerdings wieder von Werder/Wieczorek, DB 2007, 297.
(5) Vgl. von Werder/Wieczorek, DB 2007, 297 ff.
(6) So Hüffer, ZIP 2006, 637 und 644.
(7) Vgl. dazu Ballwieser, in: Festschrift für Moxter, 1994, 1377; Wagner, Shareholder Value als Management-Instrument, 1995; Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 447; Deckert, NZG 1998, 710 ff. mit Fußnote 63.
(8) Vgl. nur Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 116 Rdnr. 5; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 239; Dreher, JZ 1990, 896, 897; Singhof, Die AG 1998, 318, 323; Deckert, DZWir 1996, 406, 407; Werner, ZHR 145 (1991), 252, 258; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1603; Scheffler, DB 1994, 793, 795; allgemein zum Problem der Bestimmung des Unternehmensinteresses vgl. Brinkmann, Unternehmensinteresse und Unternehmensstruktur, 1983; Eisenhardt, JURA 1982, 289, 294; Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse, 1984; Klein, Die AG 1982, 7, 11.
(9) Vgl. etwa Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, § 10 Rdnr. 765; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1996, S. 33 ff.; Kindl, Die Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen – AHW 85, S. 127 ff.
(10) Vgl. etwa MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 123; Herkenroth, Die AG 2001, 33, 34; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 235; Semler/Stengel, NZG 2003, 1
(11) Vgl. dazu Dreher, JZ 1990, 896, 900.
(12) Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 367; Lutter, ZHR 145 (1981), 365, 367; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 235; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604; Werner, ZHR 145 (1981), 253, 257.
(13) Semler/Stengel, NZG 2003, 1; Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 367.
(14) Vgl. dazu BT-Drucks. 13/367, abgedruckt in ZBB 1994, 191 ff.
(15) Vgl. den Überblick bei MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 117 ff., insbes. 125 ff.; vgl. insbes. Semler/Stengel, NZG 2003, 1; Deckert, DZWir 1996, 406, 408; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 257; Singhof, Die AG 1988, 318, 323; Dreher, JZ 1990. 896, 900, Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 231; Marsch-Barner, in Semler (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 1999, Rdnr. J 96 ff.
(16) Vgl. BGH NJW 1980, 1629 = WM , 163 und hierzu Ulmer, NJW 1980, 1603; vgl. ferner die umstrittene „Banning“-Entscheidung des OLG Hamm, Die AG 1987, 38; hierzu Mertens, Die AG 1987, 40; vgl. auch OLG Hamburg, ZIP 1990, 311.
(17) Vgl. BGH NJW 1980, 1629 = WM 1980, 163 und hierzu Ulmer, NJW 1980, 1603.
(18) Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 518 ff.; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 303; Lutter, 25 Jahre Aktiengesetz, 1991, 53, 63; Säcker, in: Festschrift für Rebmann, 1989, 781, 788; Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 247; Scheffler, DB 1994, 793, 795; Lüderitz, in: ;Festschrift für Steindorff, ;1990, ;113, ;116, ;118; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 61; Westhoff, Bankenvertreter in den Beiräten mittelständischer Unternehmen, 1984, 81 f.; Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1996, 99 ff., 121.
(19) So Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4.
(20) Vgl. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei privatrechtlichen Personenverbänden, 1996, S. 263 f.; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat – AHW 63, S. 202; Dreher, JZ 1990, 896, 898 ff.; Götz, Die AG 1995, 337, 346; Wissmann, Kreditwesen 1990, 10.
(21) So wiederum Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4.
(22) Vgl. dazu ausführlich Uwe H. Schneider, BB 1995, 365.
(23) Vgl. dazu Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat – AHW 63, 223; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 235.
(24) So aber wohl Kübler, in: Festschrift für Claussen, 1997, 239, 242.
(25) So Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 515 f.; Säcker, in: Festschrift für Rebmann, 1989, 781, 788, 805; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 50 ff.
(26) Vgl. BT-Drucks. 13/367, abgedruckt in ZBB 1994, 191 ff.; dazu Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 5.
(27) So der SPD-Gesetzesentwurf, genauer: „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung und Beschränkung von Machtkonzentration in der Deutschen Wirtschaft“ der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 26.1.1995, BT-Drucks. 13/367, abgedr. In ZIP 1995, 332; vgl. auch Baums, ZBB 1994, 86, 98; Baums, ZIP 1995, 11, 17; Raiser, NJW 1996, 2257, 2260; Seibert, ZBB 1994, 349, 352; im Ergebnis auch Lutter, Die AG 1994, 176, 177; vgl. auch Kübler, in: Festschrift für Claussen, 1997, 239, 241 ff.
(28) Für eine Verbotslösung insbes. Raiser, NJW 1996, 2257, 2260 (mit Änderung des § 103 AktG); für eine Verbotslösung mit Ausnahmegenehmigung durch das Bundeskartellamt Adams, ZBB 1994, 77, 83; für eine Untersagungslösung insbes. der SPD-Gesetzesentwurf, wobei die Untersagungsverfügung durch das Bundeskartellamt ausgesprochen werden sollte.
(29) Dazu Deckert, DZWir 1996, 406 f.; Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 368; Götz, Die AG 1995, 337, 346; Raiser, NJW 1996, 2257, 2260.
(30) RefE des Bundesjustizministeriums vom22.11.1996: Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), Art. 1 Nr. 12, Begründung S. 38; siehe dazu das Sonderheft Die AG, August 1997, Die Aktienrechtsreform 1997 nach dem RefE eines KontraG, sowie die Dokumentation in WM 1997, 490.
(31) Vgl. Uwe H. Schneider, BB 1995, 365; Reichert/Schmitt, Die Ag 1995, 241
(32) So insbes. Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 3 mit Fußnote 15 am Ende.
(33) Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rdnr. 54.
(34) Dazu insbes. Bender/Vater, DStR 2003, 1807 und Lieder, NZG 2005, 569.
(35) Dazu Peltzer, NZG 2002, 10.
(36) DCGK (Fassung vom 12.6.2006), Ziff. 1, S. 2.
(37) Vgl. dazu Welf Müller, in: Festschrift für Claussen, 1997, 707 ff., 711; Semler, in: Festschrift für Peltzer, 2001, 489, 490; Peltzer, NZG 2002, 10, 11.
(38) So aber abwertend Bender/Vater, DStR 2003, 1807, 1812, die sich für „gesetzliche Vorschriften“ aussprechen.
(39) Siehe von Werder/Talaulicar, DB 2005, 841.
(40) So Lieder, NZG 2005, 569.
(41) So Hüffer, ZIP 2006, 637 und 644.
(42) Vgl. dazu Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 518 ff.; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 303; Säcker, in: Festschrift für Rebmann, 1989, 781, 788; Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 247; Scheffler, DB 1994, 793, 795; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 61; Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1996, 99 ff., 121.
(43) Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 516.
(44) MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 126 und 127.
(45) Vgl. Dreher, JZ 1990, 896, 899 ff.; Singhof, Die AG 1998, 318, 323; Deckert, DZWiR 1996, 406, 408; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 257.
(46) Vgl. Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 5; MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 143 und 182 ff.
(47) MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 143.
(48) MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 141 ff.
(49) So Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 5.
(50) So Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 5; ganz ähnlich MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 162.
(51) Dazu Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 368.
(52) Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 245.
(53) Götz, Die AG 1995, 337, 346; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 3. Aufl. 1993, § 1 Rdnr. 9.
(54) MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 143 am Ende.
(55) MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 161.
(56) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 3. Aufl. 1993, § 1 Rdnr. 9, S. 29.
(57) Vgl. insbes. Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 515 und Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 61.
(58) So Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4
(59) Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 244; vgl. ähnlich Niederleithinger, ZIP 1995, 597, 602: Lutter, Die AG 1994, 176, 177.
(60) So Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 245; ebenso auch Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4; ähnlich Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 516.
(61) So Deckert, NZG 1998, 710, 713.
(62) Vgl. BGH NJW 1980, 1629 = WM 1980, 163 und hierzu Ulmer, NJW 1980, 1603.
(63) So Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4; Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 529; anders aber noch Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 237.
(64) So Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 248; auch Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 341.
(65) Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 248.
(66) Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 248.
(67) Vgl. BGH NJW 1980, 1629 und hierzu Ulmer, NJW 1980, 1603; vgl. ferner die umstrittene „Banning“-Entscheidung des OLG Hamm, Die AG 1987 38; hierzu Mertens, Die AG 1987, 40; vgl. auch OLG Hamburg, ZIP 1990, 311.
(68) Dazu Behr, Die AG 1984, 281, 282.
(69) So ausdrücklich Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 2; MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 128 ff.
(70) So insbes. Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 367 f., der in jeder weiteren Analogiebildung einen Verstoß gegen die §§ 311 ff. AktG sieht; ähnlich Matthießen, Stimmrecht und Interessenkonflikt im Aufsichtsrat – AHW 63, S. 223 sowie auch Dreher, JZ 1990, 896, 898 ff., die die gesetzlichen Inkompatibilitäts- und Sanktionsregelungen der §§ 100 Abs. 1, 100 Abs. 2 und 105 AktG sowie die Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG als nicht analogiefähige Ausnahmeregelungen apostrophieren; zweifelnd am Erfordernis weiterer Inkompatibilitätsregelungen Werner, ZHR 145 (1981), 252, 267.
(71) So Mertens, Kölner Kommentar, 2. Aufl., 1996, § 100 Rdnr. 11; ähnlich wohl Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604.
(72) Vor allem Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 236; Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1996, 99 ff.; Säcker, in: Festschrift für Rebmann, 1989, 781, 788 ff.; Reichert/Schlitt, Die AB 1995, 241,244ff.; Scheffler, DB 1994, 793, 795; MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 149 ff.
(73) Mertens, in: Kölner Kommentar, 2. Aufl 1996, § 108 Rdnr. 49; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; Dreher, JZ 190, 896, 901; Deckert, DZWir 1996, 406, 409; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat, Diss. Bonn. 1996, 40; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei Personenverbänden, 1. Aufl. 1963, S. 212 ff.; a.A. aber Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung – AHW 85, S. 116, der selbst § 34 BGB als nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift ansieht.
(74) Vgl. dazu Ebke/Geiger, ZVergRWiss 93 (1994), 38, 63.
(75) Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 370; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 3; zurückhaltend aber Wiedemann, ZIP 1998, 1565, 1567.
(76) Häufig fehlerhaft zitiert als „nemo iudex in re sua“.
(77) Vgl. hierzu §§ 41 ff. ZPO, 22 ff. StPO, 54 Abs. 1 VwGO; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 235; Mertens, in: Kölner Kommentar, 2. Auf. 1996, § 108 Rdnr. 49; MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 152.
(78) Vgl. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei Personenverbänden, 1. Aufl. 1963, S. 187 f.; Mertens, in: Kölner Kommentar, 2. Auf. 1996, § 108 Rdnr. 55 und § 109 Rdnr. 8; Hüffer, AktG-Komm., 7. Aufl. 2006, § 109 Rdnr. 2.
(79) Hüffer, AktG-Komm., 7. Aufl. 2006, § 109 Rdnr. 2; Mertens, in: Kölner Komm., § 109 Rdnr. 8; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, § 10 Rdnr. 772; Lutter, in: Fetschrift für Beusch, 1993, 509, 516 f.; Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 244; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4.
(80) Vgl. dazu Marsch-Barner, in: Semler (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 1999, Rdnr. J 114.
(81) So insbes. Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung – AHW 85, S. 147 ff., der im übrigen im Ausschluss von Sitzungen auch kein wirksames Mittel zur Abwehr von Gefahren für das Unternehmensinteresse sieht; vgl. auch Dreher, JZ 1990, 896. 901 und Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605, wonach eine Amtsniederlegung als einzige Alternative im Falle eines nicht zum Stimmrechtsausschluss führenden Interessenkonflikts in Betracht kommen soll.
(82) So Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung – AHW 85, S. 159 ff.
(83) Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4.
(84) Zwar wird die „Beratung“ des Vorstands in § 111 AktG nicht ausdrücklich als Aufgabe des Aufsichtsrats erwähnt; sie ist jedoch heute ganz allgemein als Teil der Überwachungsaufgabe anerkannt; dazu etwa Jäger, DStR 1996, 671; vgl. nur BGHZ 114, 127, 130, wonach die Beratung „das vorrangige Mittel der in die Zukunft gerichteten Kontrolle des Vorstandes“ ist.
(85) Siehe zu den Rechten und Pflichten des Aufsichtsrats speziell nach dem Transparenz- und Publizitätsgesetz Götz, NZG 2002, 599 sowie Linker/Zinger, NZG 2002, 497.
(86) So Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 7; ganz ähnlich MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 159.
(87) So Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 244 ff., 247 f. und ebenso Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, § 10 Rdnr. 9.
(88) Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 7; ähnlich MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 161.
(89) So Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6.
(90) So Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 236; ebenso Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 50.
(91) So Mertens, in: Kölner Kommentar, 2. Aufl. 1996, § 116, Rdnr. 32.
(92) So Singhof, Die AG 198, 318, 324.
(93) Vgl. MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 161 bis 163.
(94) Vgl. dazu Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 515, 518 ff.; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 303; Säcker, in: Festschrift für Rebmann, 1989, 781, 788; Lüderitz, in: Festschrift für Steindorff, 1990, 113, 119; Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 247; Scheffler, DB 1994, 793, 795; Seibert, ZBB 1994, 349, 352; Raiser, NJW 1996, 2257, 2260; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 61; Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1996, 99 ff., 121.
(95) So Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 50.
(96) Vgl. dazu Semler/Stengel, NZG 2003, 1, ,5.
(97) So Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 237; ebenso (allerdings für die GmbH) Heuking/Jasper, DStR 1992, 1438, 1439.
(98) Hierauf hat insbes. Kübler, in: Festschrift für Claussen, 1997, 230, 242 hingewiesen.
(99) Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 5; Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 370.
(100) Vgl. vor allem Kübler, in: Festschrift für Claussen, 1997, 239.
(101) Hierauf weisen Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241. 246 f. hin; vgl. auch Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 44 f. und Dreher, JZ 1990, 896, 899.
(102) So MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 170.
(103) Insbes. Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 370; Dreher, JZ 1990, 896, 902; Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 523; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 352 mit dem Hinweis darauf, dass eine nachträgliche Inkompatibilität immer einen wichtigen Grund i.S. des § 103 Abs. 3 AktG darstellt.
(104) Insbes. Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance 1996, S. 99 ff.; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6 f.
(105) So aber Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 246.
(106) So ausdrücklich Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, Diss. Bonn 1996, S. 352.
(107) So aber Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 246.
(108) Veraltet ist die Entscheidung BGHZ 35, 16, 123 aus dem Jahre 1963 (vor der Aktienrechtsreform), wonach in analoger Anwendung des § 88 Abs. 4 S. 2 AktG a.F. für möglich gehalten wurde, dass der Übertritt eines Arbeitnehmervertreters zu einem Konkurrenzunternehmen zur Abberufung in einem gerichtlichen Verfahr4en führen könne, wenn sich das Aufsichtsrats „krass gesellschaftswidrig“ verhalten habe oder seine Mitgliedschaft schlechthin untragbar; vgl. dazu Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 2441, 243.
(109) Dazu Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 370.
(110) So wohl Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 370.
(111) So Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 3.
(112) Dabei versteht sich, dass die dort angeführten Fälle ausweislich der Verwendung des Wortes „insbesondere“ nur Regelbeispiele ohne abschließenden Aufzählungscharakter sind, vgl. insbes. Semler/Stengel, NJG 2003, 1, 3; vgl. zu Ziff. 5.5.2 DCGK Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, 2001, Rdnr. 55.
(113) MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 171.
(114) Vgl. insbes. Marsch-Barner, in: Semler (Hrsg.), Handbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 1999, Rdnr. J 146; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung – AHW 85, S. 143 ff.; Semler/Stegel, NZG 2003, 1, 6; MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 172; vgl. auch Dreher, JZ 1990, 896, 902, der eine Pflicht zur Amtsniederlegung bei „unlösbaren Pflichtenkollisionen“ befürwortet; ähnlich Deckert, DZWir 1996, 406, 409.
(115) MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 173.
(116) So Semler/Stegel, NZG 2003, 1, 6; ganz ähnlich MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 173; Lutter, in: Festschrift für Beusch, 1993, 509, 524 f.; Dreher, JZ 1990, 896, 897, 902.
(117) MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 171; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6.
(118) So MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 174.
(119) MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 174 in Fußn. 273 am Ende.
(120) Lutter, ZIP 2003, 417.
(121) Vgl. § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG, neu gefasst durch Art. 1 Nr. 8 KonTraG.
(122) BGHZ 114, 127, 130 = ZIP 1991, 653 = NJW 1991, 1830.
(123) So Lutter, ZIP 2003, 417, 418; vgl. auch Lutter, Der Aufsichtsrat: Kontrolleur oder Mit-Unternehmer?, in: Sardowski (Hrsg.), Entrepreneurial Spirits, Festschrift für Horst Albach, 2001, 225 ff.
(124) Dazu Habersack, ZSR (Zeitschrift für schweizerisches Recht) 2005, 533, 565; Hopt, in: Festschrift für Mestmäcker, 1996, 909, 929.
(125) So Semler/Stengel, NZG 2003, 1 ff. in Fußnote 58; MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 172 und 174; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, Rn. 801; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat – AHW 63, 223, S. 267 ff.; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 103, Rdnr. 12; Hanau/Ulmer, MitbestG, 1981, § 6 Rdnr. 70.
(126) So Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, 1. Aufl. 1973; § 103 Rdnr. 34 am Ende; Hoffmann/Kirchhoff, in: Festschrift für Beusch, 1993, 377, 380 f.
(127) Vgl. dazu Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 370, der diese Regelung „wenig praxisnah“ nennt und sich dafür ausspricht, die Regelung des § 103 Abs. 3 S. 3 AktG über die Abberufung der aufgrund der Satzung entsandten Aufsichtsratsmitglieder „auf alle Aufsichtsratsmitglieder, auf die Anteilseignervertreter ebenso wie auf die Arbeitnehmervertreter, aus(zu)dehnen“.
(128) Vgl. dazu und zum folgenden Habersack, ZSR 2005, 533, 562.
(129) Habersack, ZSR 2005, 533, 565 f.
(130) So MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, § 100 Rdnr. 180.
(131) Anderer Ansicht allerdings Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241 ff., 245, wonach offenbar die Grundsätze zur Behandlung der Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern in autonomen Unternehmen auch in Konzernunternehmen Geltung beanspruchen sollen.
(132) So Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 368.
(133) Vereinzelt geblieben und auf Widerstand gestoßen ist die sog. „Banning“-Entscheidung des OLG Hamm vom 3.11.1986, NJW 1987, 1030, in der ein Präventivschutz gegen faktische Konzernbildung angestrebt wird; dagegen Timm, NJW 1987, 977 ff.
(134) Vgl. etwa Mertens, Die AG 1987, 40; Martens, ZHR 159 (1995), 567, 587; Timm, NJW 1987, 977, 984; MüKo(AktG)-Semler, 2. Aufl. 2004, §100 Rdnr. 181.
(135) So Reichert/Schlitt, Die AG 1995, 241, 247.
(136) Vgl. Wiesner, BB 2004, Heft 35 („Erste Seite“); Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 869; Bayer, BB 2004, 1, 7; Habersack, ZHR 168 (2004), 373, 375 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 2004, 355, 359 f.
(137) Empfehlung der EU-Kommission zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, 2005/162/EG, ABl EG L 52/51, Anhang II Ziff. 1 d).
(138) Vgl. Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten (High Level Group) auf dem Gebiete des Gesellschaftsrechts über moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, S. 63 f; abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/modern/report_de.pdf; vgl. dazu auch Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 869.
(139) Hierzu Lieder, NZG 2005, 569, 571.
(140) Vgl. Habersack, ZHR 168 (2004),